Die Geschichte hab ich mal für einen Wettbewerb in der Schule geschrieben. Ist eigentlich mehr zum Spaß! Kommis erwünscht. Ich hoffe sie gefällt euch!
Ich, Klothilda
oder Abenteuer einer Kanalratte
Gestatten, Klothilda. Spezies: Ratte. Beruf: Kanalratte. Als solche lebe ich tief unter der Erde in einem weit verzweigten Tunnelsystem. Heute möchte ich euch von meinem bisher größten Abenteuer erzählen.
Alles begann an einem Tag (oder einer Nacht? Ich weiß es nicht mehr, unter der Erde ist es immer dunkel), also an einem Tag, der genauso zu sein schien wie alle anderen. In den Kanalisationsrohren war es kalt und feucht. Es roch etwas nach den Hinterlassenschaften diverser Klogänger. Als ich gerade auf der Suche nach etwas Essbarem durch die Rohrwelt huschte, erschnupperte ich mit meiner feinen Nase einen schmackhaften Duft. Mmmh… roch ganz nach etwas… Verwesendem. Oh, was für ein tolles Mahl! Immer meiner Nase nach huschte ich durch das Labyrinth. Rechts, die Nächste links, nochmals links, runter, rechts…. Doch als ich vor der Quelle des Duftes stand, machte ich vor Schreck einen Satz nach hinten und stieß mir den Kopf an der Rohrdecke. Meine Glieder zitterten und mein ansonsten so glattes, graubraunes Fell stellte sich auf.
Eine gigantische Spinne saugte meine… MEINE verwesende Maus aus. Was für eine Verschwendung. Zuerst war ich wie gelähmt, doch endlich kehrte das Gefühl in meine Beine zurück und ich floh voll Panik. Einige Minuten und etliche Abzweigungen weiter blieb ich schließlich schwer atmend stehen. Ihr werdet euch jetzt sicherlich fragen, warum rast diese seltsame Ratte davon, nur wenn sie eine Spinne sieht. Mmmh…, nun ja, die meisten würden behaupten, ich hätte Angst. Aber das stimmt nicht, ich … ähm… gehe ihnen einfach lieber aus dem Weg. Meine Schwester Loretta hätte mich in dieser Situation sicher ausgelacht – genau wie meine anderen Geschwister Mathilda, Jürgen, Judith, Adelgunde, Egon jr. (nach seinem Vater benannt), Brunhilde, Brian, Amadeus jr. (auch nach seinem Vater benannt), Makeda, Sarabi, Helios, Nofretete und die kleine Hatschepsut, um nur einige zu nennen. Sie hätten dieses Monster sicher genüsslich verspeist, aber mir graute es, eines der acht Beine als Zahnstocher zwischen meinen Zähnen stecken zu haben.
Das war der Moment, in dem ich beschloss, diese muffelnde, von Spinnen bewohnte Kanalisation zu verlassen. Nach dieser, wenn auch nicht gerade weltbewegenden, Entscheidung fühlte ich mich gleich besser. Beflügelt und peinlichst darauf bedacht, nicht noch einem achtbeinigen Monster zu begegnen, machte ich mich auf, einen Ausgang zu finden. Ich folgte einem der nach oben führenden Tunnel. Dieser verzweigte sich schon bald. Ich wählte kurzerhand den nächstbesten Weg.
Nachdem er erst steil angestiegen war, machte der Weg plötzlich eine Kurve nach unten. Ich betrachtete die stinkende Ansammlung Wasser darin. Es schien nur ein kurzes Stück zu sein, deshalb beschloss ich zu tauchen. Die Luft anhaltend paddelte ich die Röhre entlang, und wie ich vermutet hatte, ging es gleich wieder nach oben. Auch war es bedeutend heller geworden. Mein Kopf durchbrach die Wasseroberfläche – ich fand mich in einem weißen (ein wenig dreckigen) trichterartigen Gebilde wieder. Unbekannte Geräusche drangen an meine Ohren. Außerhalb dieser Schüssel musste es noch etwas geben. Mit einem wohlbedachten Satz war ich auf dem Rand des weißen Gebildes. Es war unerwartet glatt, so dass ich fast zurückgerutscht wäre und erst nach kräftigem Strampeln meiner Hinterpfoten einen festen Stand erreichen konnte. Mein nächster Eindruck war:
LAUT!
Ein seltsames rosafarbenes, zweibeiniges Wesen hüpfte kreischend vor meinen Augen auf und ab. Dann fuchtelte es mit einem behaarten Stock direkt vor meiner Nase herum. Ich war irritiert. Erst mit der Zeit konnte ich erkennen, dass das ohrenbetäubende Gekreische wohl „Herbert“ bedeuten sollte. Was ist ein „Herbert“, frage ich mich. Doch schnell wurde diese Frage beantwortet. Mit schweren Schritten (die einem Erdbeben gleichkamen) stapfte ein weiteres zweibeiniges Wesen in das Zimmer. Etwas an seinem Äußeren ließ mich stutzen. Hatte das eine Wesen immerhin noch etwas Fell auf dem Kopf gehabt, so war dieses komplett kahl. Fast gemächlich näherte sich „Herbert“ meinem Aufenthaltsort.
„Ach Marie“, meinte er, „erschlag das Biest doch einfach mit der Klobürste.“
„Mit der Klobürste?“, piepste Marie spitz und fuchtelte weiter halbherzig mit dem behaarten Stock vor meiner zuckenden Nase herum. Jetzt war mir endgültig klar, dass hier definitiv nicht der geeignete Ort war, um mein neues Leben zu beginnen. Bevor eine der spärlich behaarten Kreaturen nun auf die Idee kam, mich tatsächlich mit dieser komischen Bürste zu schlagen, tauchte ich mit einem leisen Glucksen zurück in die Schüssel.
„Hmpf… Biest!“, quiekte ich verdrossen, als ich meinen Weg unterirdisch fortsetzte. „Selber Biest!“
Den vielen Abzweigungen würdigte ich keines Blickes und nahm gleich das Hauptrohr hinunter. Unter angekommen hielt ich mich diesmal rechts. Nach einigen Abzweigungen tat sich über mir ein großer, kreisrunder Schacht auf, aus dem durch einige kleine Löcher ein wenig Licht sickerte.
„Das könnte doch einen Versuch wert sein“, dachte ich und begann mit dem Aufstieg. Gedämpfter Lärm drang von oben zu mir. Als ich direkt unter dem kreisförmigen Deckel angelangt war, besah ich mir die kleinen Öffnungen genauer. Ich war noch ziemlich jung und hatte auch sonst eine recht gute Figur (das will ich hier nicht ganz ohne Stolz erwähnen). So schaffte ich es mit ein wenig Gezwänge, durch eines der Löcher zu gelangen. Was ich dann sah, versetzte mich jedoch in maßloses Erstaunen. Es wimmelte hier nur so von diesen Zweibeinern. Dazu gab es noch viel schnellere Gebilde, die laute Brummtöne ausstießen. Hier war es mir viel zu laut. Plötzlich donnerte einer dieser Brummer direkt über mich hinweg. Voller Angst floh ich... und fand mich prompt in einem Gewirr von Riesenbeinen wieder. Die nächsten Minuten, die ich in diesem Gewusel verbracht habe, kamen mir wie Stunden vor, bis ich mich nach viel Geschubse, panischem Gerenne und ständigem Ausweichen, um nicht von riesigen Füßen zerquetscht zu werden, auf einem Hinterhof wieder fand.
Hier drang der Lärm schwächer an mein Ohr. Mein Magen grummelte. Nach so viel Stress war das ja auch kein Wunder. Plötzlich kam ein unwiderstehlicher Geruch in meine feine Nase. Wie magisch angezogen folgte ich ihm. Auf einmal zerriss ein furchterregender Laut hinter mir die „Ruhe“ des Hinterhofes. Mit einem Satz hatte ich mich umgedreht. Mein Herz raste vor Angst. Vor mir stand das grauenvollste, schrecklichste Wesen, das man sich nur denken kann. Abermals wiederholte sich der furchtbare Laut. Er schien aus dem mit Reißzähnen gespicktem Maul des Ungetüms zu kommen. (Ich versuche mal, den Wortlaut des Monsters wiederzugeben: „Miau“.) Ich erinnerte mich dumpf an Geschichten über derartige Wesen. Bisher hatte ich sie immer für Legenden gehalten. Doch jetzt stand mir diese blutrünstigste Kreatur in der Geschichte der Ratten Auge in Auge gegenüber. Zitternd machte ich einige vorsichtige Trippelschritte rückwärts. Die bösen Kulleraugen des Wesens fixierten mich, seine Ohren zuckten. (Ich habe ein Bild dieses schrecklichen Monsters beigelegt, solches Grauen kann man einfach nicht beschreiben.) Schließlich nahm ich all meinen Mut zusammen, drehte mich um und raste auf die einen Spalt offen stehende Tür zu, aus der eben noch solch köstlicher Duft entströmt war. Ich rannte um mein Leben, hatte zu große Angst, mich umzusehen. Endlich – ich hatte den Türspalt erreicht. Mit einem Blick besah ich mir die nähere Umgebung und huschte in eine schmale Lücke zwischen der Wand und einem Kälte verströmenden Schrank.
Endlich konnte ich nach dieser furchtbaren und auch furchtbar anstrengenden Hetzjagd verschnaufen. Von meinem Platz aus konnte ich den gesamten Raum überblicken. Ich vergewisserte mich, dass das Monster mir nicht gefolgt war und konnte so in Ruhe meine Umgebung genauer betrachten. Hier war der Futterduft fast betäubend. Etwas klapperte. Ich erschrak. Erst jetzt fiel mir auf, dass im hinteren Teil des Raumes einer dieser Zweibeiner herumfuhrwerkte. Er war weiß bekleidet und das Geklapper ging offenbar von einem der unzähligen silberglänzenden Gefäße aus. Sie waren überall um den Zweibeiner herum gestapelt. Weitgehend uninteressant. Mein Magen knurrte – diesmal mit Nachdruck. Ich beschloss auf ihn zu hören. Es schien mir vernünftig. So durchstreiften meine schwarzen Knopfaugen das Zimmer auf der Suche nach der Quelle von all den guten Gerüchen. Prompt fanden sie bergeweise leckeres Zeug, das sich in Regalen und auf einem Tisch häufte. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. In diesem Augenblick ertönte aus einem angrenzenden Raum eine rufende Stimme. Der weiße Zweibeiner rief etwas zurück und verließ das Zimmer durch die Tür. Das war meine Chance. Mit einem Seitenblick nach rechts und links verließ ich meinen Spalt und durchquerte den nun zweibeinerleeren Raum. Vor der Anrichtefläche machte ich halt und kletterte geschickt an einer achtlos darauf liegen gelassenen Schürze nach oben. Vor meinen Augen tat sich ein köstlich duftendes Schlaraffenland auf. Tomaten, Karotten, in der Pfanne schmorende Pilze und Steaks. Emsig huschte ich von einer Leckerei zur nächsten und probierte von jeder (was sich merklich auf meinen Leibesumfang auswirkte). Als ich gerade dabei war, ein umwerfendes Stück feinsten Käses zu kosten, waren plötzlich zwei aufgebrachte Zweibeiner im Raum. Die stießen wild gestikulierend auf mich zu. Zu Tode erschrocken und mit weit aufgerissenen Augen raste ich auf der nicht enden wollenden Anrichtefläche entlang. Gerade hüpfte ich über ein Baguette, da griffen sie mit ihren riesigen Händen nach mir. Einer hatte sich ein gigantisches Küchenmesser organisiert. Ich atmete gehetzt. Mein nun leicht rundlicher Bauch behinderte mich etwas. Hinter mir klirrte es. Fluchend unterbrachen meine Verfolger für kurze Zeit die Hetzjagd. Ein kleiner Vorsprung konnte nicht schaden. Doch dann wurde mein Weg von einem gewaltigen Berg Teller blockiert. Schlitternd stoppte ich. Panikartig sah ich mich nach einem Fluchtweg um. Die Zweibeiner hatten meine Verfolgung inzwischen wieder aufgenommen. Da erblickte ich das Fenster. Es war einen Spalt geöffnet. So flink wie nur irgend möglich huschte ich auf diese Rettung zu. Ich quetschte mich durch den Spalt und… blieb stecken. Eine kleine Fettrolle an meinem Bäuchlein hinderte mich an Weiterkommen. In einer erneuten Panikwelle versuchte ich, mich weiterzuquetschen. Nichts! Hinter mir kamen meine Verfolger unaufhaltsam näher. Erneut wendete ich das letzte Bisschen verzweifelter Kraft auf, das ich noch hatte, und… plumpste aus dem Fenster in ein buschiges Blumenbeet. Ich kroch aus dem Gewirr von Blüten und Blättern heraus und schüttelte mich. Hinter mir wurde das Fenster zugeknallt.
Ein wenig orientierungslos kroch ich auf den Gehsteig. Plötzlich kreischte ein weiblicher Zweibeiner hinter mir:
„RATTE!“
Ich schenkte ihr nicht viel Beachtung und huschte, so schnell mich meine müden Beinchen noch trugen, in die entgegengesetzte Richtung. Nach einiger Zeit des Laufens fand ich mich in einem kleinen Park wieder. Die Bäume spendeten Schatten. Völlig erschöpft brach ich unter der nächstbesten Bank zusammen. Dass ein Zweibeiner darauf saß, störte mich jetzt nicht im Geringsten. Sein monotones „Sie liebt mich, sie liebt mich nicht“ schläferte mich langsam ein. Schwarze Rosenblütenblätter segelten langsam zu Boden. Er seufzte.
Ich wurde von federnden Schritten geweckt. Der Typ saß immer noch auf der Bank, die Rose kahl neben ihm. Die Schritte gehörten zu einer jungen Zweibeinerin. Plötzlich bemerkte sie mich. Ich machte mich trotz meiner Müdigkeit bereit wegzulaufen. Doch sie sagte zu dem sitzenden Zweibeiner:
„Oh wie süß, eine Ratte. Gehört sie dir?“
„Welche Ratte?“
Er blickte kurz zu mir hinunter.
„Ach so die, äh… ja, das ist meine.“
Ich war verwirrt. Wieder die Zweibeinerin:
„Dann komm, lass uns gehen.“
Sie sah ihn auffordernd an.
„Geh doch schon mal vor, ich komm’ gleich“, meinte er.
Sie nickte und ging. Er stand auf und beugte sich dann aber zu mir hinunter.
„Na, willst du mitkommen?“
Ich betrachtete ihn. Die Haare in der Mitte seines Kopfes standen auf und waren knallrot gefärbt. An seien Ohren wimmelte es von Ringen. Die Hose und seine Lederjacke waren zerrissen. Er lächelte und offenbarte ein Zungenpiercing. Ich dachte mir:
„Was kann denn jetzt noch Schlimmes passieren? Besser als hier unter einer Parkbank zu bleiben, ist das allemal.“
Seine Freundin rief ungeduldig nach ihm.
„Kommst du?“, fragte er mich noch mal.
Ich zuckte mit meinem Schwanz (mit den Schultern ging es ja nicht) und kletterte an seinem Ärmel nach oben. Er stand auf und kraulte mich sanft hinter dem Ohr. Ich gähnte. Der Punk lief seiner Freundin hinterher. Ich gähnte noch einmal und rollte mich auf seiner Schulter zusammen. Dann war ich eingeschlafen.