Das weiße Pferd galoppiert direkt auf sie zu. Seine Beine sind im bläulichen Nebel nicht auszumachen, überhaupt ragt nur sein Kopf aus der dicken Suppe heraus. Seine Mähne weht silbern und anmutig über seinen Hals und seine dunklen Augen blicken kluger denn je. "Du bist zurück!", will Nathalie rufen, aber kein Ton kommt über ihre Lippen. Wortlos muss sie das Pferd passieren lassen. Es galoppiert an ihr vorbei, bis es nur noch ein Schimmer am Horizont ist, ein kleiner, silberner Punkt, der im blauen Nebel leuchtet. "Ich komme nicht mehr zurück. Ich habe es gut, dort wo ich bin. Aber im Stall wartet Jemand auf dich. Er wartet... Er wartet... Er wartet... " Schweißnass rappelte Nathalie sich auf. Es war wieder einmal eine dieser Traumnächte gewesen, aber diemal hatte der Schimmel geredet. Das hatte er noch nie zuvor getan. Auch nicht im Traum. Das Bild wartete wie eh und je geduldig an seinem Platz. Die helle Silhouette hob sich gegen den dunklen Hintergrund deutlich ab. Mit einem Kloß im Hals stellte Nathalie das Bild zurück an seinen Platz. Zwischen Nachttisch und Wand erfühlte sie jedoch plötzlich etwas kleines, glattes. Es fühlte sich an wie Plastik, ja, glattes, aber kantiges Plastik. Vorsichtig manövrierte Nathalie das Objekt hinter dem Tischen hervor. Dann bewegte sie es in den Lichtschein, der vom Fenster hereinfiel. Es war ein Foto. Ein kleines Foto in einem einfachen, durchsichtigen Plastikrahmen. Und es zeigte die Szene, die Nathalie seit über zwei Monaten so vermisste. Johanna und sie. Caesar und ... Er. Ihre beste Freundin lehnte locker an ihrer dunkelbraunen Reitbeteiligung und hielt in am Halfter. Und neben ihr sie selbst... und Er. Es war jene Zeit gewesen, in der sie noch keine schwarzen Ringe von schlaflosen Nächten unter den Augen hatte, als sie sich noch nicht vergraben hatte. Damals war sie ein ganz normales Mädchen gewesen. Sie lag mehr auf Seinem Rücken als dass sie saß, hatte die Arme um den kräftigen Hals geschlungen und lachte in die Kamera. Ihre welligen Haare fielen ihr hübsch über die Schultern, jene welligen Haare, um die sie sich jetzt nicht mehr scheerte und sie höchstens einmal die Woche wusch. Nathalie wusste ganz genau, wann das Bild aufgenommen worden war. Es war am Tag der Reiterspiele in den Sommerferien gewesen. Kurz danach hatte das Unglück seinen Lauf genommen.
Joyli Erwachsenes Pferd
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Thema: Re: Der Rappe namens Midnight Falling Star Do Jan 22, 2009 9:06 am
Echt gute Geschichte!!
relu55 Teenager
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Thema: Re: Der Rappe namens Midnight Falling Star Fr Jan 23, 2009 4:32 am
Du kannst super gut und spannend schreiben grosses lob!
Sunlight Shades Neues Mitglied
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Thema: Re: Der Rappe namens Midnight Falling Star Fr Jan 23, 2009 5:07 am
wow die Geschichte ist echt super!
Maxi Erwachsenes Pferd
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Thema: Re: Der Rappe namens Midnight Falling Star Fr Jan 23, 2009 6:35 am
Alina war seit fast einer Woche nicht mehr im Stall gewesen. Ihr Turnierdebüt war am Samstag, jetzt war es Freitag und ihr Vater verpflichtete sie, Midnight Falling Star einen Besuch abzustatten. Dabei hatte der schwarze Hengst sie total blamiert und gedemütigt, Alina glaubte fast, dass er unberechenbar war. Aber so ganz wollte sie den Vorwurf, sie würde ihn nicht richtig reiten nicht auf sich sitzen lassen. Im Stall war es ruhig. Kaum jemand war noch hier, nur die Teilnehmer der letzten Reitstunde des Tages sattelten noch ab. Rasch schritt das Mädchen zu der Box ihres Rappen, der sie misstrauisch musterte. Fünf Minuten blieb sie dort stehen, sah ihn vorwurfsvoll an und regte sich nicht. Irgendwann dann machte sie auf dem Absatz kehrt. Reiten würde sie morgen. Als sie schon fast aus der Stalltür war, hörte sie eine leise Stimme. Eine Mädchenstimme aus der hinteren Ecke des Stalles. "Du würdest Nathalie gefallen. Der Schimmel war genau wie du!", sagte die Stimme. Alinas Neugierde war geweckt. Wer war diese Nathalie? Und der Schimmel? Die einzigen Schimmel, die hier im Stall standen waren das Shetty Snowball und der Dressurcrack Lincoln, aber beide hatten wenig mit Midnight Falling Star gemeinsam, von dem offensichtlich gerade geredet wurde, denn er war das einzige Privatpferd, dass nicht auf der Weide war. So wohl Snowball als auch Lincoln waren ausgeglichen und ruhig. OK, Lincoln hatte laut Stallgerüchten auch ein wenig gutes Blut in sich, aber er war im Gegensatz zu dem fragilen, feingliedrigen Midnight eher kräftig. Man sagte, dass er ein Andalusier war, und die waren nicht selten gut bemuskelt. Langsam drehte Alina sich um. An Midnight Falling Stars Box stand ein Mädchen, das etwa so alt wie sie sein musste. Richtig, sie hatte das Mädchen schon oft an der Bande in der Reithalle oder in der Box des Dunkelbraunen mit der dicken Mähne gesehen. Ausstehen konnte sie sie nicht wirklich, sie hatte schon mitbekommen, wie sie sich mit ihren Freundinnen über sie aufregte, aber wenn sie etwas über Midnight wusste, dass Alina unbekannt war, musste diese in den sauren Apfel beißen, um sie auszuquetschen. Lässig schlenderte Alina die Gasse hinunter. Das Mädchen schien sie noch nicht bemerkt zu haben, denn sie plauderte weiter; "Der Schimmel war auch so ergeizig wie du. Ein richtiges Turnierpferd war er. Und ein echter Freund. Genau wie du es sein könntest." Jetzt war Alina ganz nah. Sie konnte erkennen, dass die Augen des Mädchens verräterisch glitzerten. Was hatte es nur mit dem Schimmel auf sich? "Was ist mit Midnight Falling Star?", fragte sie dann plötzlich schärfer als gewollt. Erschrocken sah das Mädchen sie an. "Oh, äh... tut mir leid, ich...äh... hab' nur ein bisschen mit ihm geplaudert. Ich weiß, es war idiotisch vom mir!", stotterte sie erschrocken. "Wer ist diese Nathalie? Und der Schimmel?" "Ach, dass ist lange her... Ich...äh, muss sowieso jetzt los. Tschüss!" Das Mädchen verschwand. Plötzlich fiel Alina etwas ein. Das braune Pferd, dass dieses Mädchen so mochte, hieß Caesar. Und für Caesar war heute in der 18 Uhr-Reitstunde Johanna Lutz eingeteilt gewesen, dass hatte Alina auf dem Whiteboard am Stalleingang gesehen. Hatte dieses komische Mädchen von neulich, dass an Midnights Box gestanden hatte, nicht nach einer Johanna Lutz gefragt? Alina dachte scharf nach. Und dann war sie sich sicher: es war Nathalie gewesen.
relu55 Teenager
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Thema: Re: Der Rappe namens Midnight Falling Star Sa Jan 24, 2009 7:21 am
Du bist ein richtiges naturtalent ich finde die geschichte einfach totall super!
Thema: Re: Der Rappe namens Midnight Falling Star Sa Jan 24, 2009 7:26 am
Danke relu, ich will bald mein erstes Buch veröffentlichen, und da finde ich euer Lob echt wichtig. Ich will schließlich nicht mit dem letzten Müll beim Verlag ankommen!
relu55 Teenager
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Thema: Re: Der Rappe namens Midnight Falling Star Sa Jan 24, 2009 7:31 am
Ich glaube man wird deine Bücher lieben! Man kommt auch wirklich draus was jetzt der sin der geschichte ist und wie es passiert man kann sich richtig ihn die geschichte hinein verstetzten!
Die Tage rasten vorbei. Und Johanna konnte an nichts anderes mehr als an das bevorstehende Turnier denken. Enldich hatte sie eingewilligt. Obwohl auch Alina an jenem Tag vob der Partie sein würde, wollte sie die Chance, mit ihrem Lieblingspferd erstmalig an einem externen Turnier teilzunehmen nicht verpassen. Dreimal die Woche ritt sie nun und trainierte emsig für die E-Dressur, in der sie starten würde. Eigentlich var eine E-Dressur unter ihrem Niveau, zumindest wenn sie sich an Alina maß. Die Ziege brachte ihren Hengst noch immer über keinen anständigen Sprung. Jetzt aber konzentrierte sich Johanna hauptsächlich auf Caesar. Der Dunkelbraune ging unheimlich gut und begann sogar, am Gebiss zu kauen, das war ein Moment, den seine Reiterin nicht mit Gedanken an Alina verschwenden wolte. "Sehr gut, Johanna!", rief Herr Rieger zufrieden durch die Bahn. Fünf andere Pferde trabten noch durch die Halle. Zwei Braune, ein Schecke, ein Fjordpferd und ein eleganter Fuchs. Außer dem Schecken war keins unter ihnen ein Schulpferd. "Zügel kürzer, Sophie! Lara, mach' das Bein lang!" Die Reitstunde nahm ihren gewohnten Lauf, aber Johanna fühlte sich gestört. An der Bande stand Alina, fuhr sich eitel durch die Haare und schaute gelangweilt zu. Keines dieser Mädchen konnte ihr ernsthaft das Wasser reichen. Denn obwohl sie grottenschlecht ritt, besaß sie das beste Pferd. Noch. Denn ein verrittenes Pferd würde bald keine L-Sprünge mehr gehen. Und Alina war auf dem besten Wege, Midnight Falling Star zu verreiten.
Das Freizeichen ertönte. Nathalie knetete angespannt ihre Unterlippe mit den Zähnen. Tut, tut, tut, machte es. Tut, tut, tut. Fast wünschte Nathalie, Johanna würde nicht abnehmen. Aber sie wusste, dass das alles nur erschweren würde. "Hier ist der Anrufbeantworter von Familie Lutz, bitte hinterlassen Sie..." Es knackte in der Leitung und die Stimme wurde abgewürgt. Jemand nahm ab. "Hallo, Sabine Lutz hier?", meldete sich Johannas Mutter. "Äh... Hallo... hier ist... Nathalie." "Nathalie, wie schön, mal wieder etwas von dir zu hören! Ich muss dich leider enttäuschen, Johanna ist im Reitstall. Sie startet morgen mit Caesar auf einem Turnier, weißt du?" "Oh", machte Nathalie nur. "Na dann, Tschüss." Traurig legte sie auf. Irgendwie vermisste sie Johanna, obwohl in ihre auch große Wut darüber schwallte, dass diese einfach so weiterlebte. Wie konnte sie einfach auf ein Turnier fahren, obwohl sie das letzte noch gemeinsam bestritten hatten? Das Sommerturnier...