Anzahl der Beiträge : 79 Alter : 46 Howrse-Login : Claire_McLeod Anmeldedatum : 23.03.10
Thema: Re: [Virtual Series] Sentiment Crime Mo Feb 06, 2012 9:08 am
Jazz About schrieb:
Hallo ihr treuen Leser
Zunächst einmal muss ich mich entschuldigen, dass ihr so lange auf neuen Lesestoff warten musstet. Ich habe mich Anfang diesen Jahres selbständig gemacht und leider hatte ich die letzte Woche kaum Zeit, oder war zu müde, um noch etwas zu posten. Aus diesem Grunde gibt es heute direkt zwei Kapitel hintereinander *knuddel*
Ich wünsche euch wieder ganz viel Spaß in eurem "Wohlfühlthread" *hihi*
Und hier folgt sofort das zweite Kapitel. Have fun!
S1E12 - A dark, dark friday, Teil 1
CastS1E12: Wentworth Miller / Sean Grant (Detective) Michelle Monaghan / Julia Morgan (Detective) Jack Nichsolson / William Morris (Chef von Julia und Sean) Paul Adelstein / Calvin Mags Cynthia Nixon / Carol Mags Joseph Castanon / Jimmy Mags Balthazar Getty / Barry McGreen (FBI Agent)
Calvin Mags lief völlig aufgelöst durch das Queens Center. „Jimmy!“, schrie er, ohne sich dabei um die Menschen zu kümmern, die ihn teils überrascht, teils verärgert ansahen. Mit weit aufgerissenen Augen suchte er hektisch die Gänge ab, schaute durch die Glasscheiben der Geschäfte und sah panisch zu den Balustraden des mehrstöckigen Gebäudes hoch, während er immer wieder verzweifelt einen einzigen Namen schrie: „Jimmy!“
***
„Ist zwischen Ihnen und Morgan alles okay?“, fragte Morris mürrisch, als er bei seiner morgendlichen Runde durch das Großraumbüro der SCU an Seans Schreibtisch vorbeikam. Der Detective sah erstaunt von seinem Computer auf. „Wie meinen Sie das, Sir?“ „Ich habe bemerkt, dass Sie seit einiger Zeit... nun ja... etwas anders miteinander umgehen. So, als würden Sie sich gegenseitig in Watte einpacken wollen.“ Etwas unwohl rutschte Sean auf seinem Stuhl herum und überlegte, was er darauf antworten sollte. „Jetzt sagen Sie mir nicht, da wäre nichts“, fuhr Morris fort. „Ich weiß genau, dass etwas bei Ihnen beiden nicht in Ordnung ist. Und das Letzte, was ich jetzt brauchen könnte, ist ein SCU-Team, das nicht funktioniert. Haben Sie das verstanden, Grant? Der Bürgermeister hängt mir ohnehin schon im Nacken, weil er glaubt, dass wir unsere Arbeit nicht vernünftig erfüllen. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie Ihre Probleme ad acta legen. Sollten Sie das nicht hinbekommen, muss ich Sie leider trennen. Und das würde mir gar nicht gefallen!“ Ohne ein weiteres Wort ging Morris schnurstracks in sein Büro und schloss unwirsch die Tür.
„Was ist dem Chef denn über die Leber gelaufen?“ Julia stellte einen Kaffee auf Seans Seite des Schreibtischs und nippte dann an ihrem, den sie noch in der Hand hielt. „Er denkt, wir hätten Probleme!“, antwortete Sean mit einem unsicheren Grinsen und versuchte, Julias Blick auszuweichen. „Probleme? Wir?“ Julia lachte kurz. Eine Spur zu schrill. „Wir haben doch keine Probleme“, sagte sie, setzte sich und vermied ebenfalls Blickkontakt.
***
„Ich suche meinen Jungen!“ Calvin Mags stand am Informationsschalter des Queens Centers und blickte einer etwas beleibteren Frau verzweifelt ins Gesicht. „Und wie heißt er?“, fragte diese teilnahmslos. „Jimmy, Jimmy Mags. Er ist ungefähr so groß, hat braune Haare und hat ein hellblaues T-Shirt an. Er ist zehn Jahre alt.“ Calvin Mags krallte sich am Schaltertisch fest und biss die Zähne aufeinander, so dass seine Kiefermuskeln heraustraten. „Wo ist er Ihnen denn abhanden gekommen?“ „Er ist mir nicht ‚abhanden gekommen’!“, presste Calvin wutentbrannt hervor. „Er wurde entführt. Ich bin mir ganz sicher!“ „Sir, jetzt bleiben Sie ruhig. Jeden Tag verschwinden hier Kinder. Sie sind entweder abgelenkt durch die vielen bunten Schilder oder wollen etwas anderes sehen, als ihre Eltern. Bisher ist jedes Kind wieder aufgetaucht“, gab die Frau uninteressiert zurück, während sie ein Formular ausfüllte. „Mein Junge wurde entführt! Herrgott noch mal! Und jetzt schieben Sie Ihren fetten *** zum Telefon, verdammt!“, brüllte Calvin sie an. Die Angestellte griff zu ihrem Walkie Talkie, das an ihrer Schulter befestigt war und funkelte ihn wütend an. „Sicherheitsdienst!“
***
Als Julia auf der Damentoilette der Abteilung stand, blickte sie starr in den Spiegel. Morris hatte Recht. Seit dieser Geschichte mit ihrem Bruder, wo sich Sean wie ein eifersüchtiger Gockel aufgespielt hatte, hatte sich ihre Beziehung merklich verändert. Nicht nur privat, sondern auch beruflich. Was vorher wie ein eingespieltes Team auf sie gewirkt hatte, war nun zu einer gekünstelten Parodie dessen verkommen. Sicher, die Abläufe waren noch immer die selben: sie lachten über die Witze aus der Tageszeitung, brachten sich gegenseitig Kaffee oder Lunch mit und lösten reibungslos die anstehenden Fälle. Aber es war nicht mehr so einfach wie zuvor. Die Leichtigkeit zwischen ihnen fehlte. Julia drehte den Hahn auf und ließ das kalte Wasser über ihre Handgelenke laufen. Sicherlich konnte sie sich vorstellen, warum es so war. Sie und Sean empfanden etwas für einander, das über die alltägliche Berufsfreundschaft hinaus ging. Sie fand ihn anziehend und war sich sicher, dass auch er ähnlich empfinden würde. Und das war gerade das Problem an der Sache. Immer wieder wurde ihr eingetrichtert, dass Beziehungen am Arbeitsplatz Gift wären. Für die Arbeit und für die Beziehung. Aber war es wirklich nur das? War das der Grund, warum sie sich gegenseitig mit Samthandschuhen anpackten? Oder war da noch etwas anderes? Was war mit Vertrauen? Julia seufzte und guckte traurig in den Spiegel. Ihr war klar, dass es nicht so weiter gehen konnte. Doch wie sie es ändern könnte, war ihr schleierhaft. ‚Ich muss mit ihm reden’, überlegte sie als sie die Tür öffnete und den Raum verließ.
***
„Ich bin nicht verrückt!“, schrie Calvin Mags den Mann vom Sicherheitsdienst an, als er von diesem in einen kleinen Raum im Keller des Queens Centers geführt wurde. Er atmete tief durch und es kostete ihn unheimlich viel Kraft, sich zusammen zu reißen und ruhig zu reden. „Ich bin Calvin Mags, komme aus New York und war mit meinem Jungen hier shoppen. Ich hatte ihm gesagt, er sollte vor der Umkleide im Macy’s warten, bis ich fertig wäre. Als ich wieder herauskam, war er weg. Glauben Sie mir, mein Sohn läuft nicht einfach weg, wenn er etwas Interessantes sieht. Er wartet, wenn ich sage, dass er warten soll.“ Calvin atmete geräuschvoll aus und sank auf dem Stuhl, der ihm angeboten wurde, zusammen.
***
William Morris saß in seinem Büro und freute sich auf die Mittagspause. Seitdem seine Frau ihm eine strenge Diät verordnet hatte, konnte er sich nur über Burger, Pasta in Sahnesoße oder Steaks hermachen, wenn sie nicht dabei war. Und das bedeutete: in der Mittagspause. Als sein Telefon klingelte, war er gerade damit beschäftigt, sich ein Restaurant für seinen Ausflug auszusuchen. Nachdem er aufgelegt hatte, war ihm der Appetit vergangen.
***
Julia und Sean saßen in Calvins kleinem, aber schönen Reihen Haus in Queens. Was Julia sah, zerbrach ihr das Herz. Da saß ein Mann vor ihnen, der sich nach Kräften darum bemühte, dem allgemeinen Bild eines starken Helden zu entsprechen, jedoch nach allem anderen aussah. Seine Augen waren geschwollen und rot vom Weinen, seine Hände zitterten, als er nach der Zigarette griff, die vor ihm im fast überquellenden Aschenbecher auf dem Couchtisch lag. „Mister Mags, seit wann ist Jimmy verschwunden?“, fragte Sean und sah ihn mit einer Mischung aus Mistrauen und Mitleid an. „Er ist nicht verschwunden! Er wurde gekidnappt!“, fuhr Calvin auf und starrte Sean wütend an. Calvins Frau, Carol, legte ihm zur Beruhigung die Hand auf die Schulter, aber auch ihr konnte man ansehen, dass sie ziemlich aufgewühlt war. „Wann ist Ihr Sohn entführt worden?“, fragte Julia sanft. „Heute früh. So gegen 10. Ich war bei Macy’s. Hätte ich nur nicht auf diese Scheißjeans bestanden!“ Calvin sprang auf und hielt sich die Hände vor sein Gesicht. Seine Schultern bebten verdächtig. „Was haben Sie genau gemacht?“, hakte Julia nach. „Ich... ich hab ihm gesagt, dass er warten solle, während ich in der Umkleidekabine bin. Er hat genickt und sich auf die Bank gesetzt. Ich habe mir die Hose angezogen, bin rausgegangen und er war verschwunden. Überall hab ich geguckt, ich bin sogar auf die Straße gelaufen. Aber er war nicht mehr da. Er war einfach nicht mehr da.“ Calvins letzte Worte gingen in einem verzweifelten Schluchzen unter. „Und wie kommen Sie auf die Idee, er könnte entführt worden sein?“, fragte Sean etwas schroff. Julia warf ihm einen tadelnden Blick zu und konzentrierte sich wieder auf die Eltern.
„Das... wir können es Ihnen nicht sagen...“, stammelte Carol „Sie müssen, auch wenn es Ihnen schwerfällt“, drängte Julia sanft. Diesmal war sie es, die ein leichtes Kopfschütteln von Sean erntete. „Nein, meine Frau hat Recht. Wir können es nicht. Es würde die Sache nur verschlimmern.“ Calvin nickte bestätigend und blickte auf das Foto seines Sohnes, das auf dem Sideboard hinter Julia und Sean stand. „Es wäre für ihn zu gefährlich.“ „Es ist wesentlich gefährlicher, nicht zu wissen, warum er entführt wurde, Mister Mags“, presste Sean hervor. „Sie müssen uns sagen, was los ist, sonst können wir Ihnen nicht helfen.“ Calvin schüttelte traurig seinen Kopf. „Es geht nicht. Es geht wirklich nicht. Ich würde damit nicht nur Jimmy in Gefahr bringen, sondern auch Carol und mich. Verstehen Sie doch.“ „Ich glaube, ich verstehe wirklich“, knurrte Sean und stand ruckartig auf. „In diesem Fall können wir nichts für Sie tun.“ Er verabschiedete sich mit einem kurzen Nicken und ging zur Tür. Julia saß wie erstarrt auf der Couch und ließ ihren Blick mitleidig von Carol zu Calvin schweifen. „Ich verspreche Ihnen, dass ich mich darum kümmern werde. Wir werden Jimmy finden“, sagte sie zum Abschied und ging Sean hinterher.
„Was sollte das denn gerade?“, fragte Julia ihren Partner wütend. „Wie kannst du den Eltern nur sagen, dass wir nichts tun können? Der Junge ist gerade mal seit vier Stunden verschwunden. Die Chancen stehen...“ „Ich weiß, wie die Chancen stehen!“, blaffte Sean sie an. „Aber wenn die Eltern nicht kooperieren wollen?! Von wegen gefährlich! Die verheimlichen uns etwas und sind der Meinung, sie können uns an der Nase herumführen!“ Er stieg in den schwarzen SUV, der direkt am Straßenrand vor dem Haus der Mags geparkt war und ließ den Motor aufheulen. Julia setzte sich ebenfalls in den Wagen. „Was ist mit dir los, Grant?“, zischte sie sauer. „Die beiden haben ihren Sohn verloren. Sie sind verzweifelt! Und du tust so, als hätten sie ihn umgebracht!“ Sie legte den Sicherheitsgurt an und hangelte mit der rechten Hand nach dem Angstgriff. „Das wäre ja schließlich nicht das erste Mal!“, knurrte Sean und fuhr mit quietschenden Reifen davon.
***
„Was haben Sie herausgefunden?“, fragte Morris ungeduldig, als Julia und Sean wieder bei der SCU eintrafen. „Der Junge ist im Queens Center verschwunden, genauer gesagt bei Macy’s gegen 10 Uhr heute morgen“, gab Julia mit einem Blick auf ihren Notizblock an. „Irgendwelche Spuren?“ „Bis jetzt nicht, Sir“, antwortete Sean. „Allerdings scheinen die Mags etwas zu verbergen.“ „Wie meinen Sie das?“ „Nun ja, sie redeten davon, dass ihr Sohn entführt wurde. Sie waren fest davon überzeugt. Aber als wir nachgehakt haben, haben sie dicht gemacht.“ Morris sah Sean fragend an, weshalb dieser fortfuhr. „Sie redeten davon, dass es die Sache verschlimmern würde, wenn sie uns etwas sagen würden.“ „Ich werde Ihnen beiden jetzt etwas sagen. Das ist aber Top Secret. Falls nur eine Silbe davon nach außen dringt, ist ein Jobverlust das Geringste, mit dem Sie zu rechnen haben.“ Morris stand auf und ging zum Fenster. Eine Weile guckte er, mit den Händen auf dem Rücken verschränkt, gedankenverloren heraus. Dann begann er zu sprechen. „Calvin Mags ist der Sohn eines alten Freundes von mir. John Calvin Mags. Wir waren zusammen auf der Polizeischule. Er hatte mich auch angerufen und mich gebeten, den Fall zu untersuchen. Calvin Mags, Jimmys Vater, arbeitete im Gramercy Park Hotel auf der Lexington Avenue.“ Sean pfiff leise, als der Name fiel. „Da hätte ich aber auch gern ein Zimmer!“, murmelte er und erntete von Julia einen leicht genervten Blick. Morris sah ihn kurz über die Schulter an und nickte. Dann drehte er sich wieder zum Fenster. „Im dortigen Private Roof Club gab es gewisse Treffen. Dabei anwesend diverse Mitglieder des Gambino-Clans und einige höhere Tiere des Bureaus.“ Julia, die sich einige Notizen gemacht hatte, schaute abrupt auf. „Soll das heißen, dass sich FBI-Agenten mit der Mafia getroffen haben?“, fragte sie fassungslos. „Genau das soll es heißen. Die Innere ist dieser Sache seit einigen Monaten auf der Spur. Bisher haben sie nur Indizien dafür, dass dort im großen Stil Geldwäsche und Prostitution betrieben wurde. Von Bestechung ist ebenfalls die Rede. Des weiteren vermuten die Kollegen Drogenhandel, aber das ist ja fast schon Gesetz bei den Gambinos.“ „Wie passt Mags da rein?“, fragte Julia. „Calvin Mags war im Gramecy Park Concierge. Er hatte der Polizei einen Tipp gegeben, als er zufällig in eine dieser Private Roof Parties geplatzt ist. Für die Staatsanwaltschaft ist er Gold wert. Er steht deshalb mit seiner Familie unter Beobachtung. Heute muss allerdings irgendwas schief gelaufen sein. Sonst hätte Jimmy nicht verschwinden können.“ Morris fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Hallelujah! In Mags Haut will ich auch nicht stecken! Er hat nicht nur die Mafia am A*sch, sondern auch noch das FBI.“ Sean stieß einen weiteren Pfiff aus und schüttelte den Kopf. „Ganz schön viele Feinde für einen Concierge.“ William Morris setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. „Wenn von diesem Gespräch etwas bekannt wird, ist Calvin tot. Ebenso seine Familie. Vom Prozess ganz zu schweigen. Also ermitteln Sie diskret, ohne Staub aufzuwirbeln. Das betrifft vor allem Sie, Grant!“ Sean hob abwehrend die Hände und guckte, als könne er kein Wässerchen trüben.
Nickend verabschiedeten sich Sean und Julia von ihrem Chef und gingen dann zu ihren Schreibtischen. „Und? Was sagt dir dein Gefühl jetzt? Nachdem es offensichtlich nicht die Eltern gewesen sein können, wer ist jetzt der Täter? FBI oder Mafia?“ Julia konnte sich den Kommentar nicht verkneifen. Ihr Partner kniff die Augen zusammen und starrte sie über den Computer hinweg an. „Wer sagt denn, dass es nicht doch die Eltern waren. Sie könnten schließlich die Verwirrung ausgenutzt haben.“ Sean sah wieder auf seinen Tastatur und begann, etwas zu schreiben. Julia schüttelte wortlos den Kopf, stand auf und zog ihre Jacke an. „Was auch immer dir am Besten gefällt, Grant. Ich werde mich jetzt noch mal mit den Mags unterhalten!“ Wütend über Seans Sturheit ging sie mit großen Schritten zum Fahrstuhl. Sean schaute ihr gedankenverloren nach. „Verdammt Julia, warum musst du immer alles so ernst nehmen?“, murmelte er und hob dann den Telefonhörer ab.
***
Das Gespräch mit Jimmys Eltern brachte für Julia nichts Neues. Zumindest nichts, was die Ermittlungen betraf. Menschlich gesehen, war der Besuch für Julia eine Tortur. Sie saß mit zwei Personen zusammen, die tief verzweifelt waren. Die um das Leben ihres einzigen Kindes bangten. Überall im Haus hatte Julia Fotos von Jimmy gesehen: wie er beim Baseball einen Pokal gewonnen hatte, wie er bei einer großen Kinderparty in den Pool sprang, wie er über und über im Gesicht mit Ketchup beschmiert war. Es zerbrach Julia das Herz, dass sie den Mags Jimmy nicht sofort zurückbringen konnte.
Als sie wieder in ihrem Wagen saß, zwang sie sich zur Ruhe. So sehr sie auch von dem Schicksal der Familie betroffen war, so sehr musste sie auch professionell bleiben. Sie durfte nicht zulassen, dass ihre Gefühle ihren Blick auf die Ermittlungen trübten.
***
Sean wählte die Nummer eines Freundes Barry McGreen, der ihm damals schon bei der Aufklärung des Mordes an Julias Mutter geholfen hatte. Nach kurzem Klingeln nahm dieser ab. „McGreen?“ „Barry! Wie geht’s? Wie steht’s? Was machen die Frauen?“ Sean lehnte sich lässig in seinem Stuhl zurück und grinste breit. „Es geht und steht gut und die Frauen sind noch immer knackig“, war die trockene Antwort des FBI Agenten. „Und selbst?“ „Kann mich nicht beschweren. Und soweit ich weiß, die Mädels auch nicht“, feixte Sean. „Womit kann ich dir dienen, Sean? Du rufst doch nicht aus purer Höflichkeit an!“ „Der Mann vom FBI und seine Ermittlungsmethoden! Woher wusstest du das nur? Ach lass mich raten: ihr habt im Keller immer noch diese Gedanken-Lese-Maschine aus den 60ern?!“ „Jup, gerade frisch bei mir im Büro angeschlossen. Du weißt doch: Der Kalte Krieg könnte jederzeit wieder aufgewärmt werden.“ Barry lachte laut über sein Wortspiel und Sean grinste mit. „Nein, pass auf Barry. Ich brauch Informationen. Oder... nein, lass mal. In einer Stunde bin ich schlauer.“ „Na dann, Sean. War trotzdem schön mit dir zu reden.“
Eine Stunde später saß Sean in einem kleinen Café in Chinatown und trank einen Espresso, als ihm von hinten jemand auf die Schulter schlug. „Barry!“ Sean fuhr herum, stand auf und begrüßte den Agenten mit einer kurzen Umarmung. Dann wies er auf den Stuhl, der ihm gegenüber stand. „Wusste ich es doch, dass du unseren Code noch kennst!“, sagte er anerkennend. „Wie kann ich den vergessen. ‚In einer Stunde bin ich schlauer’ war der meistgebrauchte Satz vor ein paar Jahren, wenn du nicht wolltest, dass dir deine Liebschaften auf die Schliche kommen. Ich glaube fast, was anderes hab ich von dir und Eric gar nicht mehr gehört.“ Sean lachte laut auf und nickte. Dann wurde er ernst und beugte sich über den Tisch. „Barry, was geht bei euch ab im Gramecy Park?“, fragte er. „Sean, du weißt genau, dass ich dir das nicht sagen kann!“ „Hör zu, ich sitze an einem verzwickten Fall. Ein Junge wurde entführt. Die Eltern sind am Durchdrehen und das Einzige, was ich in der Hand habe, sind entweder das FBI oder die Mafia. Komm schon, Barry. Ich brauch etwas, damit ich den Eltern ihren Sohn zurückgeben kann. Ich würde dich nicht bitten, wenn ich etwas hätte.“ „Sean, die Innere würde mich höchstpersönlich nach Alaska verfrachten und dich gleich mit...“ begann der Agent. „Barry, hier geht es nicht um dich oder mich! Es geht hier um einen zehnjährigen Jungen, der entführt wurde!“ Sean zog ein Foto von Jimmy aus der Tasche und legte es auf den Tisch. „Willst du sein Leben riskieren, in dem du Informationen zurückhältst?“ „Sean, das ist Erpressung.“ „Ich weiß. Also?“ „Ich kann dir wirklich nichts sagen!“ „Barry, Herrgott noch mal. Krieg die Zähne auseinander. Du sollst mir die Entführer doch nicht auf einem Silbertablett servieren! Du sollst mir einen Anhaltspunkt geben. Sonst könnte ich mich auch auf den Times Square stellen und den Touristen ein Foto von Jimmy Mags unter die Nase halten!“ „Mags? Wie der Kronzeuge?“ Barry zog erschrocken die Augenbrauen hoch. „Sch*iße, echt?!“ „Ja echt. Jimmy Mags. Wie Calvin Mags, der seinen A*sch riskiert, damit ihr etwas gegen eure Leute in der Hand habt.“ Barry starrte Sean an und runzelte die Stirn. Nach einer Weile sagte er dann: „Versuch es bei Stan Corozzo. Bei den Gambinos ist er der Mann für’s Grobe, hat aber auch eine Schwäche. Er steht auf Dragqueens. Damit kriegst du ihn, denn wenn er eins nicht will, dann ist es, dass seine Brüder davon erfahren. Du kriegst ihn in Brooklyn.“ Sean sprang auf und schlug McGreen auf die Schulter. „Barry, das werd ich dir nie vergessen!“
***
Als Sean zurück in die SCU kam, saß Julia schon wieder hinter ihrem Schreibtisch und durchforstete verbissen die Akten, die vor ihr lagen. „Julia, ich hab eine Spur!“, informierte er sie freudig. „Lass mich raten: Es war die Großmutter!“ „Oh, was war das?!“ Sean blickte sich gehetzt in dem Großraumbüro um. „Mir war, als wäre hier ein Witz vorbeigeflogen!“ Julia starrte Sean erschöpft an. „Ha ha“, machte sie trocken und blickte wieder zurück auf ihren Schreibtisch. Sean rollte seinen Stuhl neben ihren und ließ sich hineinfallen. „Hör zu. Wir sollten uns mit Stan Corozzo unterhalten. Er ist Handlanger bei den Gambinos und hält sich gerade in Brooklyn auf. Er könnte was wissen und ich weiß, wie wir ihn bei den Eiern kriegen.“ Julia verzog ein wenig das Gesicht bei Seans Ausdrucksweise, war aber unbestreitbar neugierig geworden. „Woher hast du die Info?“ „Barry hat sie mir gegeben“, erklärte Sean etwas stolz. Doch anstatt, dass seine Partnerin ihm für diese erste Spur um den Hals fiel, stand sie wortlos auf, guckte ihn eisig an und sagte: „Komm mit!“
Als Julia die Tür des Verhörzimmers hinter sich schloss, wusste Sean noch immer nicht, was sie von ihm wollte. „Sag mal, bist du jetzt komplett verrückt geworden?“, zischte sie ihn wie aus dem Nichts an. „Du gehst zum FBI? Zum FBI? Obwohl du ganz genau weißt, dass die da mit drinstecken? Du gefährdest damit nicht nur die Ermittlungen und den Prozess, sondern setzt auch das Leben des Jungen auf’s Spiel. Mal ganz zu schweigen von unseren Jobs!“ Julia wurde immer lauter. „Mein Gott, Julia. Jetzt spiel dich nicht so auf. Ich war bei Barry und nicht bei irgendeinem Schreibtischhengst. Ich kenne ihn seit Jahren und würde ihm hunderprozentig vertrauen!“ Nun erhob auch Sean seine Stimme. „Du und deine Sch*ißmenschenkenntnis! Wie sicher bist du dir diesmal?“ fauchte Julia. „So sicher wie heute Mittag, als die Eltern die Täter waren? Du spielst mit dem Feuer, Sean! Und das geht nicht nur allein dich was an. Du ziehst uns da alle mit rein.“ Die Polizistin war außer sich. „Ja, aber wenigstens kümmere ich mich darum, dass es hier weiter geht und spiele nicht die Mitleidvolle, weil mir nichts besseres einfällt!“, knurrte Sean wütend. Julia wich einen Schritt zurück. „Okay. Okay, Grant. Jetzt reicht’s. Ich hab mir deine Ausschweifungen lange genug mit angesehen. Das war das letzte Mal. Ich lass mich nicht von dir in die Pfanne hauen. Nach diesem Job werde ich zu Morris gehen und mir einen anderen Partner zuweisen lassen. Jemand, dessen Ego nicht so aufgeblasen ist!“ „Fein!“, giftete Sean. „Fein!“, gab auch Julia wütend zurück, fuhr herum und riss die Tür auf.
Beide Detectives stampften aufgebracht zu ihren Schreibtischen zurück und würdigten sich keines Blickes, als Williams Morris sie zu sich ins Büro zitierte. „Vor einer Stunde“, begann er mit gequältem Blick, „...hatte Carol Mags einen Verkehrsunfall. Sie wurde schwer verletzt und ist komatös. Sie liegt im Mount Sinai Hospital. Es sieht so aus, als würde sie es nicht überleben.“
Fortsetzung folgt...
Leseauszug aus S1E13:
„Du siehst so aus, als würdest du mir gern einen Drink bestellen wollen“, hauchte ihn eine Frau verführerisch an. Sean musterte sie eingehend. Sie hatte lange blonde Haare und ein feingeschnittenes Gesicht. Ihre braunen Augen waren dunkel geschminkt, passend zu der schwarzen Lederhose und der schwarzen Corsage, die sie trug. Sean lächelte ebenfalls. „Und du siehst aus, als wäre das nicht alles, was du von mir willst.“ Die Blondine lachte und warf ihre Haare nach hinten.
Nightshadow Junges Fohlen
Anzahl der Beiträge : 116 Alter : 28 Howrse-Login : Syrana Anmeldedatum : 10.09.11
Thema: Re: [Virtual Series] Sentiment Crime Di Feb 14, 2012 8:26 am
Abend, erstmal: Herzlichen Glückwunsch das du dich selbstständig gemacht hast. Ich hoffe du hast damit in Zukunft viel Glück und in nächster Zeit mehr Ruhe
Und nun zum eigentlichen: *-* Wow, wieder sehr toll geschrieben. Ich muss mich ständig wiederholen fällt mir grad auf Ich freue mich schon riesig auf die Fortsetzung..
Ich wünsche dir noch einen angenehmen Abend Night
Jazz About Junges Fohlen
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Thema: Re: [Virtual Series] Sentiment Crime Mo Feb 27, 2012 8:14 am
Meine Liebsten,
es tut mir leid, dass ich euch hier so auf dem Trockenen sitzen lasse Aber wie das nunmal manchmal so ist, frisst mir mein neues Business regelmäßig die Sanduhr auf und es bleibt keine Zeit für nichts Und ich bin überzeugt davon, gerade die ersten grauen Haare entdeckt zu haben *grrr* Zur Zeit bin ich noch etwas mit Social Network beschäftigt (halleluja ), aber ich verspreche, nicht mehr allzu lange auf mich warten zu lassen *jedem ganz lieb ein wenig Vertröstungs Schoki überreicht*
@Nightshadow: Merciiiii, das ist ja lieb von dir!
Jazz About Junges Fohlen
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Thema: Re: [Virtual Series] Sentiment Crime Sa März 03, 2012 1:12 am
Heute gibt es zwei Folgen hintereinander. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
S1E13 - A dark, dark friday, Teil 2
CastS1E12: Wentworth Miller / Sean Grant (Detective) Michelle Monaghan / Julia Morgan (Detective) Jack Nichsolson / William Morris (Chef von Julia und Sean) Paul Adelstein / Calvin Mags Cynthia Nixon / Carol Mags Joseph Castanon / Jimmy Mags Balthazar Getty / Barry McGreen (FBI Agent) Louis Lombardi / Stan Corozzo Julia Stiles / Babyface
Soundtrack: Let’s Pretend by Life of Agony Soundtrack: Cry me a river by Diana Krall
Es war ganz ruhig auf der Intensivstation des Mount Sinai Hospitals. Die Krankenschwestern liefen fast geräuschlos über die Flure. Lediglich die Gummisohlen ihrer Schuhe quietschten auf dem Boden. In den Zimmern selbst rauschten Computer und andere Geräte dumpf vor sich hin, piepten leise und verliehen der Atmosphäre etwas Beklemmendes. Calvin Mags saß regungslos am Bett seiner Frau. Er hielt ihre Hand und starrte in ihr Gesicht. Der Kopf von Carol Mags war mit weißen Mullbinden verbunden, in ihrer Nase und ihrem Mund steckten Schläuche, die ihr das Atmen möglich machten. Die wenigen Stellen, die von ihrer Haut sichtbar waren, waren von Blutergüssen, Schnitten und Rissen übersäht. Calvin schüttelte langsam seinen Kopf und weinte still in sich hinein. Julia, die im Türrahmen stand, schluckte und unterdrückte den Impuls, zu ihm zu gehen und ihm die Hand auf die Schulter zu legen. Sie konnte nur erahnen, wie sehr Mags leiden musste.
Nachdem sie von William Morris über Carols Unfall informiert worden waren, hatten sich Sean und Julia auf den Weg ins Krankenhaus gemacht. Während der Fahrt hatten sie kein Wort miteinander gewechselt und es schien Julia, als dass auch nicht mehr viel kommen würde. Im Krankenhaus selbst mussten sie noch eine Weile warten, da Carol Mags noch notoperiert wurde. Nachdem Sean zu dem behandelnden Arzt gegangen war, um Informationen über Carols’ Zustand zu bekommen, hatte sich Julia auf den Weg zu Calvin Mags gemacht. Ihr graute davor, ein Gespräch mit ihm zu führen. „Mister Mags“, fing sie behutsam an und schloss leise die Tür hinter sich. „Julia Morgan, von der SCU. Ich muss Ihnen leider ein paar Fragen stellen.“ Calvin reagierte nicht. Er starrte weiter auf das Gesicht seiner Frau. „Mister Mags?“ Julia ging um das Krankenbett herum und zog sich einen Stuhl, der an der Wand stand, heran. „Mister Mags, es ist wirklich wichtig, dass Sie mir jetzt ihre volle Aufmerksamkeit schenken. Ich weiß, dass es sehr schwierig für Sie ist. Aber je schneller wir damit fertig sind, desto besser...“ Calvin Mags atmete tief ein und sah Julia erschöpft an. „Was wollen Sie wissen?“, fragte er schließlich resigniert. „Waren Sie bei dem Unfall dabei?“ „Es war kein Unfall, es war ein Anschlag. Sie wollten sie töten, nur weil sich die Polizei eingeschaltet hat. Ich hab es Ihnen gesagt! Ich hab Ihnen gesagt, dass es für uns gefährlich werden würde. Aber Sie wollten ja nicht hören!“ Mags schluchzte laut auf und wischte sich mit dem Handrücken durch’s Gesicht. „Mister Mags, bislang gibt es keine Beweise, dass der Unfall mit dem Verschwinden ihres Sohnes zusammenhängt.“, versuchte sie den Mann zu beruhigen.
„Natürlich gibt es keine Beweise!“, herrschte er sie an. „Was erwarten Sie denn? Dass dort ein Stempel von der Mafia oder dem FBI kleben würde?!“ Kaum, dass er das gesagt hatte, guckte er erschrocken. „Wir wissen, dass Sie ein Kronzeuge sind. Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Wir behandeln Ihren Fall sehr, sehr diskret. Es werden keine Informationen nach außen dringen.“ „Wer...?“ „William Morris. Er ist unser Chef. Er hat uns gesagt, wie wichtig es ist, top secret zu arbeiten.“ Calvin Mags nickte und seufzte wieder. „Sie hatte mich kurz vorher noch angerufen. Angeblich wäre ihr ein Wagen gefolgt. Ich habe ihr gesagt, sie solle sich nichts einbilden. Mein Gott, wie konnte ich nur so dumm sein!“ Calvin Mags begann zu weinen und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Ich hätte ihr sagen sollen, dass sie anhalten und weglaufen soll. Ich hätte es doch wissen müssen!“ Er weinte immer lauter. Julia wusste nicht, was sie tun sollte. Steif blieb sie auf ihrem Platz sitzen und hoffte, dass er sich bald wieder beruhigen würde. Als Sean das Krankenzimmer betrat, atmete sie unbewusst auf. „Mister Mags, ich habe soeben mit dem behandelnden Arzt gesprochen. Er wird uns über den Zustand Ihrer Frau auf dem Laufenden halten. Außerdem wird ein Polizist in Zivil hier im Zimmer postiert. Sie können also beruhigt nach Hause fahren und ihre ganze Kraft darauf konzentrieren, uns weitere Hinweise zu geben.“ Julia sah Sean irritiert an. Dass ein Kollege das Krankenzimmer bewachen würde, wusste sie noch nicht. “Ich kann doch nicht einfach so nach Hause fahren! Das ist meine Frau, die hier liegt!“, fuhr Calvin auf. „Mister Mags, wir wissen, dass Sie zur Zeit unheimlich viel durchmachen, aber mein Kollege hat Recht.“ Julia stand auf und schob den Stuhl wieder an die Wand. „Wir brauchen alle Informationen, die Sie uns geben können, um in diesem und dem Fall Ihres Sohnes weiterzukommen. Mit Verlaub, Sie nützen uns nichts, wenn Sie nicht klar denken können und ihrer Frau wird das auch nicht viel nützen.“ Der Mann sah Julia eine Weile ausdruckslos an und nickte dann widerstrebend mit dem Kopf. „Ich... ich werde mich bemühen“, sagte er leise. „Geben Sie mir noch ein paar Minuten mit meiner Frau.“ „Natürlich“, antwortete Sean und Julia war für einen kurzen Moment verwundert über das aufrichtige Mitleid, dass sich in seiner Miene widerspiegelte. „Sie haben ja unsere Karte“, fuhr Sean fort. „Bitte melden Sie sich, sobald Sie wieder zu Hause sind.“ Mit einem Nicken verabschiedete sich Sean und bedeutete Julia wortlos, das Gleiche zu tun.
Nachdem die beiden das Krankenhaus verlassen und in ihren SUV gestiegen waren, räusperte sich Sean.
„Der... äh... der Arzt hat gesagt, dass es für sie nicht gerade gut aussieht. Neben mehreren Knochenbrüchen, Hautabschürfungen, Schnittwunden und Hämatomen hat sie auch schwere Nierenquetschungen erlitten. Außerdem hatte sie einen Milzriss, der schwere innere Blutungen verursacht hat. Die Notoperation wurde zwar sofort eingeleitet, aber ob es etwas gebracht hat, würden die nächsten Stunden entscheiden. Ach ja, und die Wirbelsäule hat auch was abgekriegt. Falls sie also überleben sollte, wird sie aller Wahrscheinlichkeit nach, an den Rollstuhl gefesselt bleiben. Aber dazu müsste sie erst einmal aus dem Koma aufwachen.“ „Mein Gott...“, begann Julia fassungslos und schüttelte den Kopf. „Aber warum durfte Mags so kurz nach der OP bei ihr im Zimmer sitzen?“ „Vitamin B. Beziehungen sind heutzutage alles. Und so wie es momentan aussieht, ist es wichtig, dass er die verbleibende Zeit mit ihr verbringt.“ Sean lenkte den SUV durch die Straßen und fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Ich will echt nicht in seiner Haut stecken“, seufzte er. Julia betrachtete ihren Partner verstohlen von der Seite. Nach all dem, was passiert war, war der Ärger vor ein paar Stunden fast schon vergessen, aber auch nur fast. „Sean, ich...“ setzte sie an, wurde aber von ihm unterbrochen. „Was hältst du davon, wenn wir der Spurensicherung mal einen Besuch abstatten? Vielleicht haben die schon eine Ahnung, wie der Unfall genau vonstatten gegangen ist.“ Julia nickte und hielt sich verkrampft am Angstgriff fest, als Sean das Gaspedal durchdrückte und sich seinen Weg so schnell es ging durch den allabendlichen Verkehr bahnte.
***
„Also“, begann Speedy und zog das Wort wie ein Kaugummi. „Der Unfall muss wie folgt abgelaufen sein: Carol Mags kam die State Street runter“, der Mann zeigte auf seinen Computer, auf dem gerade eine Simulation ablief. „Höhe Smith Street wurde sie von einem Auto gerammt und zwar so sehr, dass sie sich quer über die Straße drehte und auf dem gegenüberliegenden Parkplatz mit weiteren Autos kollidierte.“ Der Mann von der Spurensicherung betrachtete stolz sein computeranimiertes Werk und wandte sich dann zu den beiden Detectives um. „Wie kann es sein, dass sie bei einem solchen Unfall so schwer verletzt wurde?“, fragte Julia. „Zwei Dinge: rasende Geschwindigkeit vom Unfallverursacher und fehlende Bremswirkung.“ Julia zog eine Augenbraue hoch und guckte den Techniker verwundert an. „Fehlende Bremswirkung?“ Speedy nickte und ging zu seinem Arbeitstisch hinüber. Dort lagen mehrere Beweisstücke, alle fein säuberlich markiert und aufgelistet. Er kam mit zwei Schläuchen zurück und hielt sie Julia vor die Nase. „Das war mal einer“, sagte er trocken. Sean pfiff leise durch die Zähne und schüttelte den Kopf. „Dann tipp ich mal darauf, dass wir es hier mit einem bewussten Akt zu tun haben?!“ Speedy nickte und packte die Schlauchteile zurück. „Lass es mich so sagen, Grant: da hat jemand mächtig Ärger mit jemandem.“ „Was glaubst du, von der Art her: wer könnte es gewesen sein? Mafia, Triaden, Drogenabhängige, Freaks, Auftragskiller...“ „Mein Tipp wäre die Mafia. Alles deutet darauf hin, dass es mit den Gambinos zu tun hat. Vor ein paar Jahren hatten wir eine Reihe solcher Unfälle und alle waren Auftragsmorde von den Jungs.“ „Wo sind nur die guten alten Betonschuhe hin?“, sagte Sean mehr zu sich selbst und erntete ein Grinsen von Speedy. „Wir untersuchen zur Zeit noch das, was vom Auto übrig geblieben ist, auf Fingerabdrücke und jagen alles durchs AFIS. Sobald wir etwas rausbekommen haben, ruf ich euch an.“ „Perfekt, Speedy“, gab Sean zurück und schlug ihm anerkennend auf die Schulter. „Du hast deinen Namen zurecht.“ Der Techniker lachte. „Das gilt aber nur hier. In anderen Bereichen“, er zwinkerte Julia zu, „lass ich es langsamer angehen.“ Die Polizistin errötete leicht und räusperte sich. „Gut zu wissen“, antwortete sie so lässig wie möglich und wandte sich zum Gehen um. Sean zog grinsend eine Augenbraue hoch und verließ dann mit seiner Partnerin die Spurensicherung.
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Gegen 21 Uhr kamen die beiden Detectives ins SCU zurück. Während sich Sean vor dem Eingang noch schnell eine Zigarette anzündete, ging Julia in den kleinen Kaffeeladen an der Ecke, um für sich und ihren Partner die nötige Dosis Koffein zu beschaffen.
„Wie wollen wir weiter vorgehen?“, fragte Julia und stellte den noch dampfenden Kaffeebecher vor Seans Nase ab. Dieser rieb sich die Stirn und schloss die Augen. „Die Fakten“, sagte er dann. „Okay.“ Julia holte sich eine Tafel heran und begann zu schreiben. „Wir haben Jimmy Mags, verschwunden heute morgen um 10 Uhr. Vermutliche Entführung. Eventuelle Täter FBI und Mafia. Carol Mags, Autounfall heute Mittag. Intensivstation. Koma. Eventuelle Täter FBI und Mafia. Calvin Mags, Kronzeuge im Ermittlungsverfahren gegen FBI und Mafia. Steht vermutlich auf der Abschussliste von beiden.“ Julia kreiste die verdächtigen Gruppen ein und guckte Sean dann an. „Wer, vom FBI, ist in den Ermittlungen von Interesse?“ „Keine Ahnung.“ „Wer von der Mafia könnte darin verwickelt sein.“ „Die Gambinos. Stan Corozzo. Der Glöckner von Notre Dame...“ Sean seufzte laut. „Der ist Franzose“, gab Julia instinktiv zurück. Sean lächelte sie ausgelaugt an. „Touché, Miss Morgan. Sie machen sich!” Julia schenkte ihm ebenfalls ein sanftes Lächeln und ließ sich in ihren Stuhl sinken. „Also alles noch mal von vorn?“
„So sieht’s aus. Es sei denn, Speedy hat bald Neuigkeiten.“ Sean starrte das Telefon an als wolle er es hypnotisieren. Nach einer Weile sah er zu seiner Partnerin, die in die Mags-Akte vertieft war. Er betrachtete die langen, braunen Haare, die auf ihre Schulter fielen, die sinnlich geschwungenen Lippen und ihre kleine Stupsnase. Sein Blick wurde weich. Er wunderte sich, wie sie nach all den Strapazen immer noch so schön sein konnte, während er wie ein Schluck Wasser in der Kurve hing. „Julia“, begann er leise. „Ich wollte... ich wollte mich dafür entschuldigen, was ich...“ „Nicht jetzt, Sean. Bitte. Ich... wir sollten uns erst mal auf den Fall konzentrieren“, antwortete sie bittend. Sean nickte und schluckte seine Enttäuschung herunter. „Okay.“
Zwei Stunden später beschlossen die beiden Detectives, nach Hause zu gehen. Die Spurensicherung hatte sich noch immer nicht gemeldet und auch im Krankenhaus schien es, laut Auskunft des dort postierten Beamten, ruhig zu sein. „Okay“, sagte Sean, stand auf und streckte seinen Rücken durch. Julia unterdrückte ein Gähnen. „Calvin Mags. Wir werden morgen noch einmal zu ihm fahren. Mal sehen, was es bringt. Und dann sollten wir uns Corozzo vorknöpfen.“ „Gut.“ Julia erhob sich ebenfalls und zog sich ihren Blazer an. „Dann wünsch ich dir eine gute Nacht, Sean.“ Sie lächelte leicht und ging dann zum Ausgang. Sean sah ihr, wie so oft in den letzten Wochen, gedankenverloren nach. „Reiß dich zusammen, Grant!“, murmelte er und schüttelte seinen Kopf. Dann verließ er ebenfalls das Büro.
***
Julia versank in einem Meer aus Schaum. Das heiße Bad war das, was sie am dringendsten gebraucht hatte. Sie tauchte unter und blieb für einen Moment unter Wasser. Als sie wieder hochkam, griff sie nach dem Glas Rotwein, das sie am Wannenrand abgestellt hatte. Es rief Erinnerungen in ihr hervor, die sie eigentlich hatte verdrängen wollen. Auch wenn der Kuss schon eine Weile her war, konnte sie noch immer Seans weiche Lippen auf ihren fühlen. Jeden Tag, sobald sie ihn sah, hatte sie dieses Gefühl. Sie wusste, dass er ihr schon viel zu nah gekommen war. Sie wusste jedoch nicht, ob das gut oder schlecht für sie war.
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Mit einem Ploppen öffnete Sean eine Flasche Bier und lehnte sich an seinen Kühlschrank. Nachdem er einen Schluck getrunken hatte, fuhr er sich mit der freien Hand über das Gesicht. Seit dem Streit am Mittag hatte er ein schlechtes Gewissen. Er wollte nicht, dass Julia und er getrennte Wege gingen. Er wollte mit ihr zusammen sein, sie lachen sehen, mit ihr diskutieren und streiten. Und: er wollte sie noch einmal küssen. Sean ging zur Couch und ließ sich drauf fallen. Er starrte an die Decke und schloss dann die Augen. Einen Moment lang hatte er das Gefühl, er könne ihr Parfum riechen. Dann schlief er erschöpft ein.
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„War ja klar, dass das nichts bringen würde“, schnaubte Sean, als er sich wieder in den SUV setzte. „Was hast du erwartet?“, fragte Julia. „Dass die Mags plötzlich die Lösung für all unsere Probleme haben würden?!“ „Warum nicht?“, entgegnete ihr Partner scherzhaft. „Das wär doch mal was Neues.“ „Jetzt haben wir nur noch eine Chance“, sagte Julia und schnallte sich an. „Wir müssen Corozzo finden.“ Sean ließ den Motor an, warf einen Blick in den Rückspiegel und fuhr behutsam an. Dass ihn Julia deswegen verwundert anguckte, bemerkte er nicht. „Ich glaube, ich weiß, wo er sich aufhält.“
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Stan Corozzo saß, über einem Teller Pasta gebeugt, in einem kleinen italienischen Restaurant in Brooklyn und schaufelte dampfende Nudeln in sich hinein. Auf der weißen Serviette, die er sich um den Hals gebunden hatte, hatte die dazugehörige Tomatensoße ihre untrüglichen Spuren hinterlassen. „Klischeehafter geht es wohl nicht mehr, oder?“, fragte Julia flüsternd als sie mit Sean das Restaurant betrat. Ihr Partner grinste flüchtig und ging mit festen Schritten auf den Tisch zu, an dem Corozzo saß. „Stan, mein Freund!“, sagte er beabsichtigt laut und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Julia hielt sich diskret im Hintergrund. „Bulle“, knurrte der Mafiosi. „Gefängnisinsasse“, gab Sean unberührt zurück und sah seinem Gegenüber unbeeindruckt in die Augen. „Ich hab nichts gemacht!“ Corozzo zog sich mit seinen fleischigen Fingern die Serviette vom Hals und wischte sich den Mund ab. „Wie man es nimmt. Sag mal, wie war es eigentlich gestern Abend mit Miss Darcy? War sie gut? Oder sollte ich ‚er’ sagen?“ „Ich weiß nicht wovon du sprichst, Bulle!“ „Das kann ich mir denken. Vorübergehende Amnesie, was? Taucht immer dann auf, wenn’s unbequem für euch Typen wird.“ Sean lachte kalt. „Ich helf dir ein wenig auf die Sprünge!“ Er zog ein paar Fotos hervor, die Corozzo und eine Dragqueen in eindeutiger Pose zeigten. „Was glaubst du, werden deine Gambino-Freunde dazu sagen?“ Corozzo wurde erst leichenblass und dann rot. „Die sind gefälscht!“, presste er wütend hervor. Sean lächelte ihn gelassen an und lehnte sich zurück. „Ich weiß das. Du weißt das. Nur deine Gambino-Freunde wissen das nicht. Und wenn wir auf die Rückseite noch eine schöne Widmung schreiben“, der Detective starrte in die Luft und tat als würde er überlegen, „Zum Beispiel: ‚Corozzo abends im Layla’s’, was würden Gambinos dann machen? Ich tippe mal auf Nachgucken. Und du?!“ „Was willst du von mir?“ Auf Corozzos Stirn schwoll eine Ader an. „Informationen, Dickerchen!“ Sean beugte sich vor und fuhr eisig fort. „Ich will wissen, wer es auf die Mags abgesehen hat und wer den Jungen hat! Eure Truppe oder das FBI?“ „Ich weiß es nicht!“ „Das ist doch Bullshit!“, schrie Sean und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „WER?!“ Corozzo schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Stan, ich warne dich!“ Sean wedelte mit den Fotos vor der Nase des Mafiosi herum. „Ich weiß es wirklich nicht!“ „Wenn du nicht willst, dass ich dich hier gleich eigenhändig kastriere, machst du den Mund auf!“ Sean griff nach dem Messer, das auf dem Tisch lag und beugte sich damit gefährlich nah zu Corozzo hinüber. „Babyface!“, platzte es aus diesem heraus. „Und wo finde ich ihn?“ „Sie ist heute Abend in der Blue Bar.“ Für einen Moment war Sean sprachlos. „Sie?“ „Ja, eine kleine Durchgedrehte. Ich persönlich würde meine Kronjuwelen schützen, wenn ich mit ihr rede“, grinste Corozzo. „Danke für so viel Anteilnahme, Stan. Und danke für die Auskunft!“ Sean drehte sich um und war im Begriff zur Tür hinauszugehen, als er noch einmal zu dem Mann zurückblickte. „Und, Dickerchen, ein Wort von dir über meinen Besuch und die Fotos gehen umgehend an die Gambinos! Verstanden?“ Corozzo sah ihn gequält an und nickte.
„Du hast ihn wirklich an den Eiern gekriegt!“, sagte Julia lächelnd als sie wieder im Auto saßen. Sean sah sie erstaunt an. Diese Ausdrucksweise hatte er nicht von ihr erwartet. Dann fiel er wieder in seine gewohnte Verhaltensweise zurück. „Ein Problem war das ja nicht. Bei der... Größe...!“
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Calvin Mags stand zitternd vor Wut in Morris’ Büro. „Sie wird sterben! Sie wird wegen Euch sterben!“ „Calvin, beruhige dich. Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass es ein Verbrechen war“, versuchte ihn der Chef der SCU zu beschwichtigen. „Ihr mit euren Scheißausreden! Natürlich gibt es keine Beweise!“, schrie der Mann. „Aber wie wahrscheinlich ist es denn, dass es nur ein Unfall war?“ Mags fuhr sich mit den Händen über den Kopf und verharrte in dieser Bewegung für einen Moment. Dann fuhr er fort. „Ich bin noch mal zum Hotel gegangen. Ich hab meinen Kollegen gefragt, ob er noch mal etwas gesehen hat.“ William Morris guckte Mags starr an. „Wann, Calvin?“ „Vor dem Unfall“, flüsterte dieser. „Bist du wahnsinnig?“ Jetzt war es Morris, der wütend wurde. „Du gefährdest die Ermittlungen? Du gefährdest das Leben deiner Familie, den Prozess und das Leben meiner Leute?“ „Ich wusste nicht, was ich tun sollte verdammt! Es ging nichts voran und ich konnte mich doch nicht darauf verlassen, dass...“
„Das was?!“, fuhr Morris ihn an. „Dass meine besten Ermittler alles in ihrer Macht stehende tun, um deinen Sohn zu retten? Sie hatten doch gerade erst angefangen!“ Morris war aufgestanden und um seinen Schreibtisch herumgegangen. „Ist dir eigentlich bewusst, wie dumm das von dir war?“, zischte er. „Ich war verzweifelt, William. Mein Gott, du müsstest das doch am besten verstehen! Du hast doch den ganzen Tag mit Menschen wie mir zu tun.“ „Ja, aber die sind wesentlich cleverer als du.“ „Es tut mir so leid!“, flüsterte Mags und brach in Tränen aus. „Dafür ist es jetzt zu spät. Fahr nach Hause, Calvin und bleib da! Und falls ich mitkriegen sollte, dass du so einen Mist noch einmal fabrizierst, werde ich dich höchstpersönlich wegen Behinderung der Ermittlungen einsperren.“
***
„Das war Morris“, sagte Sean und klappte sein Handy zu. „Mags hat kurz vor dem Unfall wohl auf eigene Faust versucht, etwas herauszukriegen. Wir sollen vorsichtig sein.“ Julia nickte und lehnte sich im Sitz des SUVs zurück. „Was glaubst du? Wann wird sie hier auftauchen?“ „Ich hoffe bald, sonst muss ich tatsächlich los und uns ein paar Doughnuts kaufen.“ Sean grinste schräg und trommelte auf dem Lenkrad herum. Seit zwei Stunden warteten sie darauf, dass Babyface endlich in der Blue Bar auftauchte. Weder Sean noch Julia waren von Beschattungen begeistert aber es war der einzige Hinweis, den sie hatten. „Meintest du das eigentlich ernst mit dem Partnerwechsel?“, unterbrach Sean die Stille. Julia schaute aus dem Fenster und atmete tief ein. Eine Weile lang sagte sie nichts. Dann begann sie zu sprechen. „Ich kann nicht, Sean. Es ist... es ist zuviel für mich. Ich und du, wir sind völlig verschieden. Wir haben unterschiedliche Ansichten über unsere Arbeit und das Leben. Ich brauche jemanden, auf den ich mich verlassen kann, dem ich hundertprozentig vertrauen kann. Es tut mir leid, Sean, aber bei dir fällt mir das wirklich schwer. Ich gehe nach Vorschrift, du brichst sie. Ich warte auf Verstärkung, du rennst allein in die Höhle des Löwen. Mit dir und Eric mag das funktioniert haben, aber ich bin anders.“ Sie drehte sich zur Seite und sah ihn eindringlich an. Sie war sich dessen bewusst, dass sie nicht nur den Job meinte. Ob Sean das allerdings verstanden hatte, konnte sie nicht sagen. „Ich mag dich,“ fuhr sie leise fort. „Ich mag dich wirklich, Sean. Aber ich glaube nicht, dass ich mit dir zusammen sein kann.“ Sean, der sie während der ganzen Zeit angesehen hatte, drehte sich nach vorn und starrte aus der Frontscheibe. „Es ist besser, wenn man weiß, woran man ist. Ich kann es dir nicht vorwerfen, Julia. Es ist deine Entscheidung und die werde ich respektieren“, sagte er monoton. Dann richtete er sich plötzlich auf. „Da ist sie. Hör zu, du bleibst hier im Auto.“ Sean überging geflissentlich den Blick seiner Partnerin, der deutlich sagte: Du spinnst wohl. „Morris hat gesagt, dass es gefährlich werden könnte und ich will mich nicht darum kümmern müssen, dass du in der Schusslinie stehst.“ In dem Moment klingelte Julias Handy. Kurz war sie versucht, es zu ignorieren, dann nahm sie aber ab. „Morgan?!... Okay, ich verstehe... ich komme.“ Sie steckte das Telefon wieder zurück in ihre Tasche. „Carol Mags ist soeben aufgewacht. Ich werde zu ihr fahren. Mal sehen, was ich aus ihr rauskriege.“ Sean nickte und stieg aus. „Ich komm zu dir ins Krankenhaus, wenn ich hier fertig bin.“ Er hielt kurz inne und setzte sein berühmtes Grinsen auf. „Wer hätte gedacht, dass du tatsächlich mal das tust, was ich will!“ Julia zog eine Grimasse und rutschte auf den Fahrersitz hinüber. „Bild dir nichts ein Grant!“, rief sie ihm zu und startete dann den Motor.
Sean betrat die Blue Bar und brauchte einen Moment, um sich an das schummrige Licht zu gewöhnen. Er ging an die Theke und lehnte sich lässig dagegen. Unauffällig suchte er den Raum ab, als ihm von der Seite gegen die Schulter getippt wurde. „Du siehst so aus, als würdest du mir gern einen Drink bestellen wollen“, hauchte ihn eine Frau verführerisch an. Sean musterte sie eingehend. Sie hatte lange blonde Haare und ein feingeschnittenes Gesicht. Ihre braunen Augen waren dunkel geschminkt, passend zu der schwarzen Lederhose und der schwarzen Corsage, die sie trug. Sean lächelte ebenfalls. „Und du siehst aus, als wäre das nicht alles, was du von mir willst.“ Die Blondine lachte und warf ihre Haare nach hinten.
„Du gefällst mir!“, sagte sie und stellte sich vor ihn. Sie schob ein Knie zwischen seine Beine und drückte sich gegen ihn. Leicht leckte sie über seinen Hals. „Ich bin Cat, aber meine Freunde nennen mich Babyface.“ „Bestimmt nicht, weil du so unschuldig aussiehst“, gab Sean zurück und umfasste fest ihre Taille. Cat sog tief Luft ein und biss Sean in den Hals. „So unschuldig, wie ich aussehe...“ Sie lachte. „Baby, wenn du auf unschuldig stehst, bist du bei mir an der falschen Adresse.“ „Das dachte ich mir schon“, gab Sean zurück. „Und deshalb werde ich dich jetzt auch festnehmen.“ Er griff nach ihren Handgelenken, drehte sich blitzschnell mit ihr um und presste sie gegen den Tresen. „Was soll das?“, protestierte sie lachend. „Machst du einen auf Bulle?“ „Nein. Ich bin einer!“, flüsterte der Detective ihr ins Ohr. Für einen Augenblick hielt Babyface still. Dann schlug sie ihren Kopf zurück und traf Sean mitten im Gesicht. Instinktiv ließ er die Blondine los und griff sich an die Nase. Den Moment nutzte sie aus und fuhr herum. Mit dem Knie traf sie seine empfindlichste Stelle und lachte laut als er mit schmerzverzerrten Gesicht zu Boden ging. „Du hättest gleich die Handschellen rausholen sollen, Süßer“, sagte sie abfällig und grinste ihn höhnisch an. Sean krümmte sich auf dem Boden, rappelte sich dann aber wieder auf. „Die brauch ich für dich nicht, Süße“, presste er hervor. Babyface sah ihn kalt an und zog plötzlich ein Messer hervor. Sean versuchte, so gut es ging auszuweichen. Die Klinge schlitzte seinen Hemdsärmel auf und sofort quoll etwas Blut aus der Wunde heraus. Sean starrte erst seinen Arm und dann die Blondine an. „Mädel, jetzt bin ich sauer!“ Er täuschte mit der linken Faust einen Haken an. Als sie darauf reagierte, schnellte seine rechte Hand nach vorn und griff ihr ins Haar. Mit einem Ruck zog er ihren Kopf zu sich und drückte ihr seinen freien, linken Arm an den Hals. „Wenn du dich bewegst, war’s das mit dem Atmen“, zischte er. Er verlagerte sein Gewicht ein wenig, griff mit der rechten Hand nach ihrem Handgelenk und drehte es nach oben, bis ein leises Knacken zu hören war. „So, meine Liebe, und jetzt verrätst du mir mal, was du über Jimmy Mags weißt.“
***
Julia stand mit William Morris im Krankenhausflur und massierte sich die Schläfen. Als sie erfahren hatte, dass Carol Mags aufgewacht war, hatte sie sofort ihren Chef angerufen. Obwohl er es nicht gesagt hatte, wusste sie, dass er dankbar war. „Haben Sie mit ihr reden können, Julia?“ Morris schien um Jahre gealtert. „Etwas. Sie meinte, sie hätte kurz vor dem Unfall einen Anruf bekommen. Die Mags hätten einen Fehler gemacht, indem sie uns eingeschaltet haben. Über den Anrufer konnte sie nicht viel sagen, es soll ein Mann gewesen sein.“ Morris sog geräuschvoll Luft ein als plötzlich ein Arzt und eine Krankenschwester in Carols Zimmer liefen. Ein paar Sekunden später hörten sie einen langgezogenen Schrei, der in ein Wimmern wechselten. Dann Ruhe. Julia und Morris gingen langsam zur Tür. Als sie sie öffneten, kam ihnen der Arzt kopfschüttelnd entgegen. William Morris ging auf Calvin Mags zu, der am Bett seiner Frau saß und ihr Gesicht streichelte. Stumm legte er ihm eine Hand auf die Schulter. Julia drehte sich um und ging wieder auf den Flur. Sie atmete tief durch und zog dann ihr Handy aus der Tasche. „Sean, wenn du das abhörst, ruf mich an. Carol Mags ist soeben gestorben.“
Jazz About Junges Fohlen
Anzahl der Beiträge : 79 Alter : 46 Howrse-Login : Claire_McLeod Anmeldedatum : 23.03.10
Thema: Re: [Virtual Series] Sentiment Crime Sa März 03, 2012 1:30 am
Staffel 1 - Finale
Jazz About schrieb:
Heute gibt es zwei Folgen hintereinander. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
Und hier kommt die nächste Folge
S1E14 - A dark, dark friday, Teil 3 / Ende Season 1
CastS1E14: Wentworth Miller / Sean Grant (Detective) Michelle Monaghan / Julia Morgan (Detective) Jack Nichsolson / William Morris (Chef von Julia und Sean) Paul Adelstein / Calvin Mags Cynthia Nixon / Carol Mags Joseph Castanon / Jimmy Mags Julia Stiles / Babyface Sean Bean / Charles Reddick (Leiter der Abteilung für Organisiertes Verbrechen) Scott Speedman / Dan Kensy (Mitarbeiter der Abteilung für Organisiertes Verbrechen) Carice van Houten / Betsy Jennings (Mitarbeiterin der Abteilung für Organisiertes Verbrechen)
Soundtrack: Tose Proeski - The Hardest Thing Soundtrack: Karen Carpenter – A Song for you Soundtrack: Ryan Adams – Desire
Als Julia ins Departement zurückkehrte, war sie komplett erschöpft. Dieser Fall hatte nicht nur körperlich seine Spuren hinterlassen, sondern auch seelisch. Als sie damals vom Raubdezernat zur SCU gewechselt hatte, war ihr bewusst gewesen, dass sie auch mit den Hinterbliebenen von Mordopfern zu tun haben würde. Wie sehr es sie allerdings mitnehmen würde, hatte sie nicht gewusst. Julia massierte sich die Stirn und ging zu ihrem Schreibtisch. Sie zog ihre Jacke aus und ließ sie auf die Stuhllehne fallen. Dann griff sie in ihre Tasche, um nachzusehen, ob sich Sean schon gemeldet hatte. Fehlanzeige. „Wo steckt der nur?“, murmelte sie etwas verärgert. „Du vermisst mich wohl, was?“ Julia drehte sich ruckartig um und starrte ihren Partner an. Seans Hemd war an einem Ärmel aufgeschlitzt und der Stoff war blutdurchtränkt. Seans Gesicht sah auch nicht besser aus. Sein Nasenrücken war geschwollen, auf der Wange hatte er Kratzer und der linke Mundwinkel war blutverkrustet. Das Lächeln musste ihm wehtun.
„Mein Gott, was ist denn mit dir passiert?“, fragte Julia erschrocken. Für einen kurzen Augenblick wollte sie sein Gesicht berühren, zog dann aber die Hand wieder zurück und versuchte, professionell zu wirken. „Die Waffen einer Frau!“, entgegnete Sean und setzte sich auf die Schreibtischkante. „Wie meinst du das?“ „Babyface.“ „Oh mein Gott!“ Julia musste schlagartig ein Grinsen unterdrücken. „Sag mir nicht, du wurdest von einer Frau verprügelt?“ „Was sollte ich denn machen? Zurückschlagen? Sie ist eine Frau!“ Sean verstand nicht, was seine Partnerin daran so witzig fand. „Männer und ihre Skrupel. Aber wenigstens hat sie dir die Abreibung verpasst, die du verdient hast.“ „Was soll das heißen?“ „Ach nichts. Wo ist sie? Ich würde ihr gern ein paar Blumen schenken.“ „Julia, wenn du mir irgendetwas sagen willst, dann raus damit!“ Sean wurde langsam wütend. Er mochte es nicht, wenn sich seine Partnerin über ihn lustig machte. Es tat seinem Ego nicht gut. Welcher Mann will schon gern von Frauen ausgelacht werden?!
„Hey, Sean!“, Julia hob entschuldigend ihre Hände. „Warum denn gleich so aggressiv?“ „Weil hier jeder Idiot der Meinung ist, er könnte seine Witzchen über mich reißen.“ Nachdem er das gesagt hatte, guckte er betreten. „Dich meinte ich nicht damit. Du weißt schon... Merryweather, Perry und so.“ Sean wurde etwas rot und sah sich hilfesuchend im Büro um. Julia winkte ab und wurde wieder ernst. „Sean, Carol Mags ist tot.“ “Seit wann?” “Seit drei Stunden.” „Weiß Calvin es schon?“ Julia nickte. „Bevor sie starb, hatte sie noch etwas von einem Anruf erzählt. Es sei ein Mann gewesen, der ihr gedroht hat, dass die Familie einen Fehler gemacht hätte. Sie konnte nicht mehr darüber sagen. Einen Namen nannte sie noch, sie war sich aber nicht sicher, ob sie sich da nicht verhört hatte. Sie meinte, es wäre Renzy oder so ähnlich gewesen.“ Julia sah ihren Partner fragend an. „Da klickt nichts bei mir.“ Sean schüttelte den Kopf. „Aber vielleicht weiß meine Freundin was.“ „Deine... was?“ Julia zog verwundert die Augenbraue hoch. „Babyface!“, erklärte er unbekümmert und stand auf, um zum Verhörzimmer zu gehen. „Ach, da steckt sie also!“ Die Polizistin nahm den Telefonhörer ab.
„Was machst du da?“ Sean war stehen geblieben und betrachtete sie fragend, während Julia die Hand hob, um ihm zu bedeuten, dass er warten sollte. „Hallo? Flowerpower? Ja, einen Strauß Frühlingsblumen, bitte. Einen Großen. Einen sehr Großen! Liefern Sie auch ins SCU?“ Sean drehte sich entnervt um und ging straffen Schrittes Richtung Verhörzimmer. Julias Lachen schallte hinter ihm her.
***
„Also, Süße. Ich nehme mal an, dass du nichts mit dem Verschwinden von Jimmy Mags zu tun hast. Und genauso wenig weißt du etwas über Carol Mags’ Unfall?!“ Babyface hatte es sich in dem ungepolsterten Stuhl so bequem gemacht, wie es ihr möglich war. Ihre Füße hatte sie auf dem Tisch abgelegt. Die Spitzen ihrer Highheels zeigten in Seans Richtung, der ihr gegenüber stand. Die Blondine lächelte verführerisch. „Bingo, Mister“, hauchte sie. „Ich weiß rein gar nichts.“ Sie lehnte sich zurück und ließ die Zunge über ihre Lippen gleiten. „Eine Sache wüsste ich allerdings. Und zwar, wie ich dich wahnsinnig glücklich machen könnte, Cop!“ „Danke für das Angebot, aber glücklicher als du mich bis jetzt schon gemacht hast, vertrag ich an einem Tag einfach nicht!“ Sean zog sich den zweiten Stuhl, der im Raum stand, an den Tisch und setzte sich verkehrt herum drauf. „Okay, dann fangen wir mal ganz von vorn an. Deinen vollen Namen, Geburtsort und Geburtsdatum bitte.“ Babyface tat gelangweilt, als hätte sie diese Prozedur schon Hunderte Male erlebt. Hatte sie wahrscheinlich auch. „Catherine Tyler Bashon. New York, 24. August 1985.” “Du bist erst 23?” Sean konnte seine Überraschung kaum verbergen. „Ja, Baby. Enttäuscht?“ „Nein. Ehrlich gesagt, etwas beeindruckt, dass du in dem Alter schon so weit oben in der Gambino-Hierarchie stehst.“ Babyface zuckte uninteressiert mit den Schultern und taxierte ihren Gegenüber. „Irgendwelche verwandtschaftlichen Beziehungen zu Charles Manson?“, fragte der Detective mit einem kalten Lächeln. „Irgendwelche verwandtschaftlichen Beziehungen zu Dick und Doof?“, zischte diese zurück. „Ja, aber ich hab einen Zwei-Jahresvertrag im Fitnessstudio abgeschlossen, also mach dir darüber mal keine Gedanken!“ Sean stand auf und ging um den Schreibtisch herum. Er lehnte sich an die Wand und kramte eine Zigarette heraus, die er sofort anzündete. „Wow, ein Rebell. Und das bei dem strikten Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden.“ Babyface nahm ihre Füße vom Tisch und lächelte ihn angriffslustig an. Sean sog den Rauch ein und ging ganz langsam zu ihr hinüber.
„Wow, eine Klugschei**erin. Und das, bei dem niedrigen Intelligenzquotienten der Gambinos! Hör mal Kleine, wir können uns hier bis zum jüngsten Gericht mit Floskeleien überhäufen. Mich soll das nicht stören, ich krieg meine Arbeitszeit bezahlt. Aber bist du dir sicher, dass du das willst? Nicht, dass ich denke, dass du zu Mama und Papa zurück willst, aber irgendeiner deiner Lover wird doch hier in der Stadt bestimmt noch an den Bettpfosten gefesselt sein, so wie ich dich einschätze. Also sag mir, was du über die Entführung und den Unfall weißt, oder du kommst hier nicht mehr raus.“ „Du hast nichts gegen mich in der Hand, Bulle. Also kannst du hier rumlabern wie du lustig bist. Ich komm eh wieder raus.“ Die Blondine grinste ihn breit an. Sean räusperte sich und tat so, als würde er nachdenken. „Lass mich kurz überlegen: tätlicher Angriff auf einen Polizeibeamten... daraus kann man mit dem richtigen Staatsanwalt auch versuchten Mord machen. Allein das wird dich schon für ein paar Jährchen in den Knast bringen.“ Er zog an seiner Zigarette. „Dann hätten wir da noch Widerstand gegen die Staatsgewalt, unerlaubtes Mitführen einer Waffe, Behinderung der Ermittlungen in einem Entführungs- und einem Mordfall und zu Guter Letzt wahrscheinlich auch noch Besitz illegaler Drogen. Dazu müsste ich nur dein Appartement durchsuchen und schon ist die Sache geritzt. Wenn ich das alles so zusammenrechne, komm ich auf... lebenslänglich. Und das in einem schönen Frauenknast, wo sie auf süße, kleine Mädchen wie dich schon warten.“ Sean sah sie überlegen an. „Also, Catherine, was hättest du denn anzubieten?“
***
Julia war über ihren Akten eingeschlafen, als sie eine Hand auf ihrem Rücken spürte. Erschrocken fuhr sie hoch und blickte sich verwirrt in der Gegend um. „Was...?!“ „Hier, trink den erst einmal.“ Sean stellte einen Becher dampfenden Kaffee vor ihr ab und sah sie sanft an. „Fertig, hm?“ Julia nickte und ärgerte sich über sich selbst. „Es tut mir leid, es ist wahnsinnig unprofessionell. Ich weiß nicht, wie...“ „Du bist müde, kein Wunder. Aber mach dir keine Gedanken. Außer mir hat das niemand mitbekommen. Ist ja auch noch kaum jemand da.“ Die Polizistin trank einen Schluck und guckte ihren Partner noch ein wenig verschlafen an. „Und, hast du was?“ Sean nickte. „Sie war zäh, aber mit der richtigen Taktik hab ich dann doch einiges aus ihr herausbekommen.“ „Mit der richtigen Taktik? Mit welcher... ach vergiss es, ich glaub, ich will es gar nicht wissen.“ Bei dem letzten Satz verkrampfte sich Sean. Taktiken, Arbeitsweisen – das waren die Punkte, die Julia zu einem Partnerwechsel bewegt hatten. Er schluckte etwas, ließ sich aber nichts anmerken und konzentrierte sich dann auf das Wesentliche.
„Die CID von der Brooklyn Queens Resident Agency scheint mit drin zu stecken.“ Julia hob die Augenbraue. Die Criminal Investigative Division war das Aushängeschild der örtlichen FBI-Außenstellen. „Welche Abteilung?“ „Rate!“ „Organisiertes Verbrechen?“ „Bingo, der Kandidat hat eine Heimfahrt gewonnen! Komm, ich bring dich nach Haus. Heute können wir ohnehin nichts mehr machen.“ Sean griff nach Julias Jacke und holte seine Autoschlüssel. „Ich kann auch selbst fahren“, protestierte Julia. „Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Aber da ich ohnehin vorhatte, morgen früh gleich mit dir nach Kew Gardens zur CID zu fahren und es von dir aus näher ist, dachte ich, dass ich dich vor der Schicht gleich abhole und wir gemeinsam hinfahren. Also stell dich nicht so an, Morgan und komm mit!“ Sean lächelte seine Partnerin an. Langsam erhob sich Julia und griff nach ihrer Tasche. „Aber nur, wenn du diesmal etwas vernünftiger fährst“, sagte sie mit drohendem Zeigefinger. „Ich fahr immer vernünftig!“, gab Sean zurück. Er warf den Autoschlüssel in die Luft und fing ihn gekonnt wieder auf. „Vertrau mir einfach.“
***
Als Sean und Julia das Department verließen, hatte es bereits angefangen zu regnen. Schweigend setzen sie sich in den SUV und Sean schien sein Versprechen zu halten: ungewohnt ruhig fuhr er durch die fast leeren Straßen New Yorks. Die Lichter der Stadt spiegelten sich auf dem regennassen Asphalt. Julia hatte Mühe, ihre Augen offen zu halten und gähnte verstohlen. „Wann holst du mich morgen ab?“, fragte sie. „So gegen halb acht?“ Julia sah auf ihre Uhr. „Oh, toll. Dann haben wir ja noch vier Stunden, um zu schlafen“, erwiderte sie erschöpft. Sean nickte und lenkte den Wagen an den Straßenrand. Er stellen den Motor ab und sah sie schweigend an. „Was ist?“, fragte Julia mit einem schwachen Lächeln. „Kaffee hab ich nicht mehr im Haus.“ Sean grinste leicht. „Wasser reicht auch.“
Als er den überraschten Blick seiner Partnerin bemerkte, schüttelte er den Kopf. „Nein, keine Angst. Das war nur ein Scherz.“ Er wandte sich wieder um und vermied es, sie anzusehen. „Julia, können wir vielleicht noch mal über gestern reden? Ich weiß, in der letzten Zeit gab es zwischen uns ein paar Probleme. Aber denkst du wirklich, dass wir uns deshalb trennen sollten?“ Julia fuhr sich mit den Händen über’s Gesicht und seufzte. „Sean, ich weiß, dass wir über alles reden müssen, aber ich bitte dich, nicht jetzt. Ich kann jetzt einfach nicht. Du hattest einen langen Tag, genauso wie ich. Ich bin hundemüde und ich wette, dir geht es ähnlich. Lass uns bitte einfach den Fall zu Ende bringen und dann sehen wir weiter.“
***
Julia starrte aus dem Fenster. Seit Sean sie nach Hause gebracht hatte, war eine halbe Stunde vergangen. Seitdem saß sie auf ihrer Couch im Wohnzimmer, die Knie an die Brust gezogen und betrachtete die Regentropfen die immer schneller an der Fensterscheibe hinunter liefen. Ihre Gedanken drehten sich nur um Sean. Sie wollte eigentlich gar nicht über ihn nachdenken, aber sie konnte einfach nicht anders. Am liebsten hätte sie sich ins Bett gelegt, die Decke über den Kopf gezogen und wäre nie wieder aufgestanden.
Seufzend erhob sie sich und tigerte durch ihre Wohnung. Immer wieder hatte sie sich eingebläut, nichts mit einem Kollegen anzufangen. Es war ihre ungeschriebene Regel, ein Gesetz an das sie sich von jeher gehalten hatte. Egal, ob es auf der Academy war oder später im Raubdezernat – immer hatte sie sich von Beziehungen ferngehalten. Nicht, weil sie annahm, dass ihre Arbeit darunter leiden würde. Nein, sie hatte Angst davor, irgendwann den Überblick zu verlieren. Sie liebte ihre Arbeit und sie befürchtete, dass die Grenzen dann irgendwann verschwimmen würden. Dass Arbeit und Privates eins werden würden. Früher oder später, da war sie sich sicher, würde sie dadurch das eine oder das andere verlieren. „Wehret den Anfängen“, hatte ihre Großmutter immer gesagt und daran hatte sie sich gehalten.
Bei Sean war es allerdings etwas anderes. Es war nicht nur die Tatsache, dass ihr Kollege unheimlich attraktiv war. Sie fühlte sich ihm auch sehr nah. Sie hatte das Gefühl, mit ihm über alles reden zu können, sich bei ihm geborgen und aufgehoben zu fühlen, sich fallen lassen zu können. Sie dachte, dass sie in seiner Gegenwart ein anderer Mensch wäre – aufgeschlossener, relaxter, ruhiger. Und wenn diese Gefühle über die Partnerschaft im Job hinausgingen, hätte sie ein Problem. Sie hatte Angst davor, ihn zu verlieren, genauso wie sie Angst davor hatte, eines Tages aufzuwachen und zu entdecken, dass alles, worauf sie gebaut hatte, nicht mehr existent war. Und seit dieser Sache mit ihrem Bruder, betrachtete sie Sean kritischer. Sie war sich nicht sicher, ob sie mit seiner spontanen, teilweise Ichbezogenen Art umgehen könnte. Und das betraf nicht nur ihr Privatleben. Julia ließ sie wieder auf die Couch fallen und starrte an die Decke. „Was soll ich nur tun?“, flüsterte sie. Sie wusste, dass ihr niemand die Entscheidung abnehmen konnte. Allerdings fragte sie sich auch, ob sie dazu fähig wäre, selbst eine zu treffen.
***
Sean stieg aus seinem Wagen und sah in den Himmel. Er hing voller Wolken, die grau, drohend und unheilvoll über ihm schwebten. Der Regen prasselte immer stärker auf sein Gesicht, doch anstatt in den Hausflur zu flüchten, lehnte er sich an sein Auto und schloss die Augen. „Was machst du mit mir?“, murmelte er und spürte die kalten Tropfen auf seiner Haut. Er war sich darüber bewusst, dass er Julia nicht aufhalten konnte, wenn sie gehen wollte. Aber warum er sich so sehr darin verbissen hatte, sie unbedingt vom Gegenteil zu überzeugen, war ihm schleierhaft. Sean war immer ein Mann gewesen, um den sich die Frauen scharrten, der sich fast schon aussuchen konnte, mit wem er die Nacht verbringen wollte. In ihren wildesten Zeiten hatten Eric und er das auch getan. Dann hatte Sean Linda getroffen. Bei ihr war alles anders. Aber besser? Nein, besser war es nicht. Nachdem auch diese Beziehung in die Brüche gegangen war, hatte sich Sean eingeredet, dass er nicht in der Lage wäre, mit Frauen zusammen zu leben. Er genoss sein Leben, die Freundschaft zu Eric und machte sich keine Gedanken mehr. Als Eric dann erschossen wurde und Julia in sein Leben trat, wurde er von den Veränderungen überrannt. Sean sah auf seine nassen Schuhe und spürte, wie der Regen langsam aber sicher durch seine Kleidung drang. Er wollte Julia nicht gehen lassen. Sie war eine tolle Partnerin, die ihn mit ihrem Hang zur Perfektion zwar in den Wahnsinn treiben konnte, aber auch eine, auf die er sich hundertprozentig verlassen konnte. Und sie war eine atemberaubende Frau. Er schüttelte den Kopf, stieß sich von seinem Wagen ab und ging dann ins Haus.
***
Julia schreckte auf und sah auf die Uhr. Zwanzig nach Sieben verkündeten die Zeiger, was Julia zu einem unfreiwilligen Luftsprung veranlasste. Einen Augenblick später stöhnte sie auf. Sie war auf ihrer Couch eingeschlafen und so bequem sie für einen Fernsehabend auch war, so ungeeignet erwies sie sich als Schlafplatz. Die Polizistin sauste in ihr Badezimmer und war gerade dabei sich die Zähne zu putzen, als es klingelte. Mit der Zahnbürste im Mund rannte sie durch den Flur und drückte an der Tür auf die Freisprechanlage: „Mhmpf?“ „Julia? Sean hier.“ „Kommhmpf raupfff.“
Sie betätigte den Summer, öffnete den Tür einen Spalt und raste zurück ins Badezimmer. Keine drei Minuten später hatte sie geduscht und sich ein Handtuch um den Körper geschlungen. Gedankenverloren rannte sie aus dem Badezimmer und blieb plötzlich wie der Roadrunner stehen, der Wile E. Coyote austrickst. „Sean!“, quiekte sie. „Julia...“, murmelte er und ließ seinen Blick über ihr Handtuch gleiten, nur um sich sofort darauf zu räuspern und scheinbar uninteressiert in der Gegend herumzugucken. „Ich... äh... Schlafzimmer“, stammelte Julia ohne sich vom Fleck zu bewegen. „Was??“ Sean guckte sie entsetzt an. „Ich muss mich umziehen!“ Julia erwachte aus ihrer Starre, drehte sich um und lief durch den Flur. „Ach so, ja. Ich mach uns schnell einen Kaffee“, rief Sean ihr hinterher. „Ich habe aber keinen mehr!“, kam es aus dem Schlafzimmer. „Ich weiß. Deshalb hab ich ihn ja mitgebracht!“ Sean ging in die Küche und blieb ratlos vor einer Hightech-Kaffeemaschine stehen.
„Na toll!“, murmelte er und fing an, den Filter zu suchen. Nach, wie ihm schien, endlosem Aufklappen, Drehen, Wenden, Zuklappen, Drücken und Ziehen, fand er endlich, was er suchte und füllte den Kaffee ein. Er goss etwas Wasser in den Behälter, von dem er dachte, dass dort das Wasser hineingehörte und stellte die Maschine an. „Wo hast du die Tassen?“, rief er Julia zu. „Welche?“, fragte diese. „Welche wohl?! Tassen halt. Kaffeetassen.“ „Große oder kleine?“ Sean zog die Augenbrauen hoch und starrte einen Moment verwirrt in die Richtung, aus der die Frage gekommen war. „Äh... große?“ „Die großen sind oben rechts im Schrank über der Spüle. Untersetzer dahinter links.“ Sean hörte, wie sie ins Badezimmer tapste und den Fön anstellte. „Ach ja, wenn du doch kleine willst, die sind in dem Schränkchen über dem Tisch. Im ersten Regal. Die Untertassen dafür sind im zweiten.“ „Du hast Untersetzer für zwei verschiedene Tassenarten?“ Sean schüttelte den Kopf und suchte sich zwei große Tassen. „Warum überhaupt Untersetzer?“, murmelte er.
Nachdem er alles passend zusammengesucht und den Kaffee eingegossen hatte, ging er ins Wohnzimmer und stellte alles auf den Couchtisch. In diesem Moment kam Julia aus dem Badezimmer und strahlte ihn an. „Danke für den Kaffee! Das hätte aber nicht sein müssen.“ „Gern. Reiner Selbsterhaltungstrieb“, grinste er. Julia lachte und trank einen Schluck. „Okay, und jetzt?“ „Jetzt geht’s ab nach Kew Gardens.“
***
Sean und Julia saßen einem mürrisch dreinblickenden Beamten gegenüber. Im Gegensatz zu seinen Kollegen in der Hauptabteilung des FBI steckte Charles Reddick nicht in einem teuren Anzug sondern saß in Jeans und T-Shirt an seinem Schreibtisch. „Was kann ich für Sie tun?“, fragte er, ohne sonderlich Interesse zu zeigen. „Wir ermitteln in einem Entführungsfall und haben einige Hinweise bekommen, die in Ihre Abteilung führen, Mister Reddick“, antwortete Sean kühl und sah den Mann aufmerksam an. „In welchem Entführungsfall?“ „Jimmy Mags.“ Sean musterte den Mann, um keine Gefühlsregung zu verpassen. „Sagt mir nichts. Hören Sie, Mister... Grant. Ich kann mir ja vorstellen, dass die SCU jede Menge zu tun hat, aber das haben wir hier auch. Also vertrauen Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass meine Männer nichts mit Ihrem Fall zu tun haben.“ „Und Sie?“ „Wie bitte?“ „Haben Sie etwas mit diesem Fall zu tun?“ „Das hab ich überhört. Und wenn Sie und Ihre Partnerin jetzt die Freundlichkeit besäßen...“ Reddick ließ den Satz unbeendet und schob stattdessen einen Stapel Akten in die Mitte seines Schreibtischs. „Aber sicher doch.“ Sean und Julia erhoben sich, als eine Frau in das Büro stürzte.
„Charles, ich glaube, wir haben ein Problem. Die Gam...“ Als sie die SCU-Beamten sah, verstummte sie und räusperte sich. „Das hat wohl noch Zeit,“ sagte sie und ging wieder hinaus. Julia tauschte mit Sean einen Blick aus und nickte unmerklich. „Ich gehe schon mal vor.“ Sie verabschiedete sich von Reddick und verließ dessen Büro. „Wenn Ihnen noch irgendwas einfällt...“ Sean legte seine Visitenkarte auf den Tisch. „Dann werde ich Sie ganz bestimmt anrufen“, erwiderte Reddick ironisch und wandte sich dann den Unterlagen zu. Sean grinste. „Ich nehme Sie beim Wort!“
Julia wartete bereits im Wagen, als Sean die Tür aufmachte. „Ich verwette meinen Hintern drauf, dass sie 'Gambinos' sagen wollte“, eröffnete Sean das Gespräch. „Das glaube ich auch. Und weißt du, was ich noch gefunden habe?“ Julia sah Sean etwas aufgeregt an.
„Auf dem Schreibtisch ihres Partners stand ein Namensschild. Dan Kensy!“ „Und?“, fragte Sean etwas verwirrt. „Kannst du dich noch daran erinnern, dass Carol Mags erwähnt hatte, sie hätte bei dem anonymen Anruf einen Namen gehört?!“ „Ja?!“ „Sie sagte ‚Renzy oder so ähnlich’.“ Julia machte ein triumphierendes Gesicht. „Wenn das nicht ein Zufall ist.“ Sean ließ den Motor an und grinste breit. „Dann müssen wir uns jetzt aber beeilen. Nicht, dass die drei noch versuchen, alles zu vertuschen!“
***
„Und Sie sind sich wirklich sicher, dass Reddick und zwei seiner Angestellten in der Sache mit drin hängen?“ William Morris sah Sean und Julia etwas zweifelnd an. Nachdem die beiden über ihre Entdeckungen gesprochen hatten, hatte Julia Morris angerufen, um ihn davon zu unterrichten. Jetzt saßen sie in seinem Büro, um alles noch einmal in Ruhe zu besprechen. „Ja, Sir. Ganz sicher. Überlegen sie doch mal. Die Frau...“ „Bettsy Jennings“, unterbrach Julia ihren Partner mit einem Blick auf ihren Notizblock. „Bettsy Jennings also, kam in sein Büro und sagte, dass sie Probleme mit den Gambinos hätten...“
„Aber sie hat nicht ausdrücklich Gambinos gesagt, oder?“ Nun war es Morris, der Sean unterbrach. „Sie hätte auch Gambas meinen können, oder?“ „Hätte schon, aber welche Probleme könnten denn bitte Garnelen bei dem FBI ausrichten?“ Sean war etwas perplex. „Lebensmittelvergiftungen“, antwortete Julia instinktiv und wurde sofort darauf etwas rot, als sie den Blick bemerkte, den Sean ihr schenkte.
„Sie hat definitiv nicht von Gambas gesprochen, Sir“, sagte der Detective bestimmt und wieder seinem Chef zugewandt. „Sie meinte die Gambinos und hat sich sofort wieder zurückgezogen, als sie uns bemerkt hatte. Babyface hat...“ „Wer ist Babyface?“, fragte Morris. Sean seufzte. Es ärgerte ihn ein wenig, dass er in seinen Ausführungen ständig unterbrochen wurde. „Catherine Tyler ‘Babyface’ Bashon. Auftragskillerin bei den Gambinos. Gerade mal zarte 23. Sitzt zur Zeit bei uns in U-Haft, wird aber bestimmt bald abwandern“, antwortete Sean. „Und was hat sie?“ „Sie hat gestanden, dass die Jungs von Kew Gardens etwas mit den Fällen zu tun haben. Außerdem haben wir noch den Telefonanruf, den Carol Mags bekommen hat. Sie hat den Namen Renzy gehört. Im Büro der CID arbeitet ein Dan Kensy. Der ist der Partner von Bettsy Jennings und das...“ „...ist die Dame, die in Reddicks Büro war“, führte Morris Seans Satz zu Ende. „Ja“, murmelte dieser entnervt.
„Außerdem haben wir vor einer halben Stunde einen Anruf von der Spurensicherung bekommen. Auf den Bremsschläuchen des Autos, in dem Carol Mags den Unfall hatte, sind Fingerabdrücke von zwei Handlangern der Gambinos gefunden wurden. Die waren so einfältig und hatten keine Handschuhe an. Vielleicht hatten sie gehofft, das Auto würde bei einem Crash explodieren.“ Julia guckte von ihren Notizbuch auf und sah zwei verwirrte Gesichter. „Das hier ist New York und nicht Miami Vice. Hier explodieren keine Autos bei einem Unfall“, sagte Morris steif. „Ich hab ja auch nie behauptet, dass die Jungs Intelligenzbestien wären“, antwortete Julia und bemerkte, wie sich Sean ein Grinsen verkniff. „Nun gut.“ William Morris stand von seinem Schreibtisch auf. „Hoffen wir, dass das alles stimmt. Das FBI ist gerade bei Reddick und seinen Leuten. Wenn die dahinter stecken, dann gnade ihnen Gott, dass Jimmy noch lebt.“
Da das FBI nun die Ermittlungen wieder übernommen hatte, blieb Sean und Julia nichts weiter übrig, als zu warten. Um nicht ganz untätig zu sein, hatten sie beschlossen, etwas Schreibtischarbeit zu erledigen. Während sich Julia intensiv mit den vor ihr liegenden Akten beschäftigte, schob Sean irgendwann die Unterlagen nur noch über den Tisch. „Muss das sein?“, fragte Julia leicht genervt, nachdem sie sich das Schauspiel eine halbe Stunde lang angeguckt hatte. „Was?“ „Dieses endlose Hin- und Herschieben.“ „Ja, das muss sein.“ „Warum?“ „Weil ich sonst verrückt werde.“ „Dann lenk dich ab!“ „Mach ich doch.“ „Gott, Grant. Du machst mich fertig! Geh was trinken, eine Rauchen oder lass dich noch mal von Babyface verprügeln, aber hör endlich mit diesem Geschiebe auf!“ Sean sah seine Partnerin etwas beleidigt an, als das Telefon klingelte. Er hob ab und seine Mine verfinsterte sich. „Was ist?“, flüsterte Julia drängend. Sean hob die Hand und bedeutete ihr, noch etwas zu warten. „Okay, Sir... Ja, ich habe verstanden... Danke.“ Sean legte auf und sah seine Partnerin ernst an. Dann begann er zu grinsen.
„Sie haben ihn! Sie haben Jimmy!“ „Was?!“, rief Julia entgeistert. „Ja. In einem Keller in Brooklyn. Bei den Gambinos.“ „Und ist er...“ „Er ist soweit in Ordnung. Nur etwas verängstigt.“ „Zum Glück geht es ihm gut. Und wie sind sie drauf gekommen?“ „Sie haben Reddick, Jennings und Kensy einzeln durch die Mangel gedreht. Und irgendwann hat Jennings angefangen zu reden. Tja, man sollte nie ein Mädchen mitspielen lassen.“ „Warum haben sie überhaupt mit den Gambinos zusammengearbeitet?“ „Sie waren der Meinung, beim CID würde man zu wenig verdienen. Und irgendwann, beim zwanzigsten Bestechungsversuch, nehm ich an, sind sie auf das Angebot der Gambinos eingegangen. Es sollte eigentlich gar nicht so ablaufen. Sie hatten gehofft, wenn sie sich Jimmy schnappen, würde Mags die Füße still halten. Deshalb haben sie die Gambinos damit beauftragt, den Jungen zu entführen. Dumm nur, dass sie keine Ahnung von Morris hatten.“
„Und warum haben sie Carol getötet?“ Julia dachte an Jimmy, der nun ohne Mutter aufwachsen würde. „Das waren die Gambinos in Eigenregie. Reddick meinte, es sei nicht geplant gewesen. Die Mafiosi hätten wohl kalte Füße bekommen und wollten sichergehen, dass Mags schweigt. Deshalb der Unfall. Aber wenn du mich fragst, werden wohl noch andere Leute vom FBI mit drinstecken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Reddick und seine Leute die einzigen waren, die in diesen ganzen Mist verwickelt waren.“ Sean guckte seine Partnerin an und schüttelte leicht den Kopf. „Das berüchtigte Bauernopfer eben.“ Eine Weile lang musste Julia erst einmal verdauen, was ihr ihr Partner soeben mitgeteilt hatte. Dann begann sie wieder zu sprechen: „Und jetzt?“ „Jetzt gehen wir feiern. Ich lad dich ein.“
***
„Hör zu Julia“, begann Sean, nachdem sein bestelltes Bier vor ihm auf dem Tresen stand. „Es tut mir leid, dass du dich mit mir nicht wohlfühlst. Aber willst du wirklich diesen Partnerwechsel?“ Julia trank einen großen Schluck Rotwein und drehte sich zur Seite, um den Detective besser ansehen zu können. Sie wusste nicht, ob es der Alkohol oder die Euphorie über die Befreiung von Jimmy Mags war. Aber sie wollte reden. Sie wollte über alles reden.
„Sean, es geht nicht darum, dass ich mich mit dir nicht wohlfühle. Das Gegenteil ist der Fall. Dieser Abend... als ich etwas... an dem wir uns... na ja, du weißt schon...“ Sean, der gerade trinken wollte, setzte seine Flasche ruckartig ab. „Ja?“, fragte er etwas unsicher. „Ich fand es schön. Ich fand es schön, dass du bei mir warst und ich fand es schön, dass wir uns geküsst haben. Ich mag dich wahnsinnig gern, Grant. Und das ist wahrscheinlich auch der Grund, dass ich den Wechsel brauche.“
Julia hob ihr Glas und trank es in einem Zug aus. Mit einem Handzeichen bestellte sie beim Barkeeper ein weiteres. Sean starrte sie an. „Aber du hattest gesagt, du würdest mit meiner Arbeitsweise nicht klar kommen?!“ „Ja, was sollte ich denn auch sagen? Dass ich denke, dass du mir etwas bedeutest?“ „Ja!“ „Was?“ „Ja. Dann hätte ich darauf nämlich geantwortet, dass ich das auch denke.“ „Wie bitte?“
„Julia. Ich mag dich. Und der Kuss war mir nicht gleichgültig. Im Gegenteil. Wenn du also etwas gesagt hättest, hätte ich mich nicht wie ein Trottel benommen und wir hätten weitaus weniger Probleme in den letzten Tagen gehabt.“ „Ach, jetzt ist es meine Schuld?“, fragte Julia etwas gereizt. „Morgan, hör auf alles komplizierter zu machen als es ist. Wenn du etwas gesagt hättest, hätte das nicht bedeutet, dass wir sofort zusammen ziehen und Kinder kriegen müssen!“ Julia verschluckte sich an ihrem Wein und hustete stark, was Sean zu einem Lachen veranlasste.
„So schlimm, die Vorstellung?“, fragte er amüsiert und klopfte ihr auf den Rücken. „Eher so übereilt“, gab Julia zurück, als sie sich etwas beruhigt hatte. „Hör zu. Ich seh das so. Was kommt, das kommt. Wir sollten uns weder aus dem Weg gehen, noch verbissen daran arbeiten, dass etwas aus uns wird. Lassen wir alles erst einmal auf uns zukommen.“ Julia sah ihren Partner an. Sie kam etwas näher und sah ihm direkt in die Augen. „Alles okay mit dir?“, fragte sie leicht besorgt. „Ja, warum?“ Sean war offensichtlich verwirrt. „Weil du noch nie etwas derartig Vernünftiges von dir gegeben hast, seit wir uns kennen.“ Sean lachte laut und fuhr ihr sanft mit der Hand über ihr Gesicht. „Du hast mich eben verändert.“
Eine Weile lang sagten beide nichts und guckten einander nur an. Dann beugte sich Julia leicht zu ihm hinüber. „Sean, tust du mir noch einen Gefallen?“ „Welchen?“ „Küsst du mich noch einmal?“ Sean nickte und zog sie vorsichtig zu sich herüber. Er streichelte ihr Gesicht und vergrub seine Hand in ihren Haaren. Julia schloss die Augen und öffnete leicht ihre Lippen. „Julia“, murmelte er und küsste sie scheinbar endlos lang.
***
„Und? Hattest du eine schöne Nacht, Grant?“, fragte Julia verschmitzt, als ihr Partner zwei Kaffeebecher auf dem Schreibtisch abstellte. „Hätte schöner sein können“, grinste Sean und streichelte verstohlen ihre Schulter. „Was machen wir heute?“ Julia schaute ihren Partner an, der plötzlich starren Blickes zu Morris’ Büro hinüber schaute. „Sean? Sean?!“ Julia versuchte zu erkennen, was den Detective so verwirrte. Dann sah sie es.
„Oh mein Gott!“ Sie hielt sich die Hand vor den Mund. „Ist das Eric bei Morris?“ Sean nickte. „Du siehst ihn also auch?“ „Ja... wieso auch? Was bedeutet das alles?“ „Er ist von den Toten auferstanden....“
Leseauszug aus S2E01 - A New Beginning : Sean hatte das Blut gesehen. Die Wunde. Er wusste nicht, was er denken oder fühlen sollte. Als der Krankenwagen damals eingetroffen ist, atmete Eric nur noch flach. Deshalb hatte Sean auch nicht daran gezweifelt, dass Eric auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben war, so wie es Morris der Abteilung kurze Zeit nach dem Vorfall mitgeteilt hatte.
Es war die schlimmste Zeit in Seans Leben gewesen. Er hatte sich damals komplett abgekapselt und hatte das Gefühl gehabt, durchdrehen zu müssen. Erst mit Julias Hilfe, eigentlich nur durch ihre pure Anwesenheit, hatte er langsam in die Normalität zurückgefunden. Trotzdessen vermisste Sean Eric jeden Tag.
Und nun das.
Nightshadow Junges Fohlen
Anzahl der Beiträge : 116 Alter : 28 Howrse-Login : Syrana Anmeldedatum : 10.09.11
Thema: Re: [Virtual Series] Sentiment Crime So März 04, 2012 7:54 am
Guten Abend, *-* WOW, ich konnte einfach nicht mehr aufhören, die zwei letzten Geschichten zu lesen! Sie sind beide wieder super toll geschrieben und vor allem das Ende der letzten Geschichte war spannend und überraschend, ich hätte wirlklich nicht gedacht das Erik noch lebt bzw. wieder auftaucht und jetzt ist er wieder da. Ich freue mich auf die Fortsetzung und bin gespannt was jetzt mit Erik, Julia und Sean passiert.
Ich wünsche dir noch einen wunderschönen Abend Liebe Grüße Night
Jazz About Junges Fohlen
Anzahl der Beiträge : 79 Alter : 46 Howrse-Login : Claire_McLeod Anmeldedatum : 23.03.10
Thema: Re: [Virtual Series] Sentiment Crime Di März 06, 2012 9:13 pm
@Nightshadow: Freut mich, dass ich dich mit dieser Wendung überraschen konnte. Zu einem Staffelfinale gehört eben auch immer ein netter Cliffhanger
Und nun gehts weiter mit Staffel 2!
S2E01 - A New Beginning
CastS2E01: Wentworth Miller / Sean Grant (Detective) Michelle Monaghan / Julia Morgan (Detective) Jack Nichsolson / William Morris (Chef von Julia und Sean) Eric Dane / Eric Stevens Gabriel Macht / Det. John Perry Charisma Carpenter - Dr. Christina Stern (Gerichtsmedizinerin) Jay Baruchel - Brandon Kazzle (Drogensüchtiger und Raubmörder) Blythe Danner - Karen McArcher (Opfer)
Die Stimmung im Büro der Special Crime Unit im Los Angeles Police Department war hektisch wie immer. Beamte in Zivil und in Uniform liefen durch die Gänge, Akten unter ihre Arme geklemmt, und beschäftigten sich mit ihrer alltäglichen Arbeit – dem Verbrechen in New York. Die Special Crime Unit, kurz SCU, wurde immer dann gerufen, wenn das LAPD mit seinem Latein am Ende war. Die Beamten dieser Abteilung waren speziell ausgebildet, behielten in den brenzligsten Situationen den Kopf und waren durch nichts so leicht umzuhauen.
Eigentlich.
Als William Morris, der Chef der SCU aus seinem Büro trat, war es plötzlich totenstill in den Räumen der Abteilung. Alle Mitarbeiter starrten in seine Richtung. Jedoch nicht wegen ihm, sondern wegen des Mannes, der hinter ihm stand. Ein großgewachsener, gutaussehender Mann, Mitte Dreißig, mit markantem Gesicht und kurzen, dunklen Haaren. Eric Stevens wusste, was nun kommen würde. Erstaunen, Fassungslosigkeit und er war sich sicher, bei einer Person in diesem Großraumbüro würde auch unbändige Wut dabei sein. Er vermied es, Sean Grant anzusehen.
„Kollegen“, rief William Morris in die Runde. „Wir haben einen alten Bekannten hier. Eric Stevens ist wieder da. Bevor die Gerüchteküche anfängt zu brodeln, möchte ich dazu etwas sagen. Eric war Undercover für das FBI in einen Drogenring eingeschleust worden. Die Angelegenheit war Top Secret. Auch ich wurde erst nach Stevens‘ Begräbnis davon in Kenntnis gesetzt, dass wir alle umsonst getrauert haben. Sein Einsatz ist nun vorbei und er wird SCU wieder voll und ganz zur Verfügung stehen. Und jetzt bitte ich Sie, sich wieder um die wichtigen Dinge zu kümmern.“
Während Morris wieder in sein Büro zurückging, kamen einige Beamte zu Eric und klopften ihm anerkennend auf die Schulter. Eric lächelte leicht gequält, freute sich jedoch über die Zuneigung, die ihm entgegengebracht wurde.
„Mann, es tut gut, dich wieder lebendig zu sehen, Stevens!“ Detective John Perry ging mit einem großen Grinsen auf Eric zu, breitete die Arme aus und drückte ihn. „Aber eins sag ich dir, du wirst dir einiges gefallen lassen müssen. Mal eben so sterben und wieder auferstehen ist hier nicht. Das weißt du.“ „Ja, ja Perry. Ich kann’s mir jetzt schon vorstellen. "Und? Wie sehen die Radieschen von unten aus?‘“ Eric winkte ab und lachte. Dann schaute er sich in dem Großraumbüro um. „Du sag mal, hast du Sean gesehen?“ „Gerade eben war er noch hier“, antwortete der Detective. „Aber ich glaube, es ist besser wenn du ihm erst mal für eine Weile aus dem Weg gehst.“ „Das geht nicht. Ich muss ihm alles erklären“, gab Eric zurück. „Na dann kannst du dich aber darauf gefasst machen, dass wir demnächst zu deiner echten Beerdigung gehen müssen.“ Detective Perry klopfte Eric mitleidig auf die Schulter und ging dann zu seinem Schreibtisch.
***
Sean stand vor dem Gebäude der SCU und rauchte mit zittrigen Fingern seine zweite Zigarette. Er konnte nicht fassen, was soeben passiert war. Eric war sein bester Freund gewesen, fast schon ein Bruder. Er war für Eric dagewesen, genauso wie Eric für ihn dagewesen war. Sie haben sich gegenseitig vor dem Chef gedeckt, waren durch Kneipen gezogen und hatten sich beigestanden, wenn es private Krisen gab.
Sean hatte Eric sterben sehen. Bei einem Einsatz war alles entsetzlich schiefgelaufen. Eric und Sean waren einer Drogengang auf der Spur gewesen und hatten die Typen ohne Verstärkung an den East River Docks in einer Lagerhalle erwischt. Bei einem Schusswechsel wurde Eric dann getroffen. Sean hatte das Blut gesehen. Die Wunde. Er wusste nicht, was er denken oder fühlen sollte. Als der Krankenwagen damals eingetroffen ist, atmete Eric nur noch flach. Deshalb hatte Sean auch nicht daran gezweifelt, dass Eric auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben war, so wie es Morris der Abteilung kurze Zeit nach dem Vorfall mitgeteilt hatte.
Es war die schlimmste Zeit in Seans Leben gewesen. Er hatte sich damals komplett abgekapselt und hatte das Gefühl gehabt, durchdrehen zu müssen. Erst mit Julias Hilfe, eigentlich nur durch ihre pure Anwesenheit, hatte er langsam in die Normalität zurückgefunden. Trotzdessen vermisste Sean Eric jeden Tag.
Und nun das.
Sein bester Freund, sein Partner, für den er sein Leben gelassen hätte, hatte es nicht für nötig gehalten, ihm zu sagen, dass er Undercover arbeiten und deshalb seinen Tod vortäuschen lassen würde. Wütend trat Sean immer wieder gegen den Standaschenbecher vor dem Polizeigebäude. Er war verwirrt und fühlte sich hilflos, aber in erster Line war er wahnsinnig sauer. „Schei**e!“, fluchte er so laut, dass ihm einige Passanten verwunderte Blicke zuwarfen und den Kopf schüttelten. Am liebsten wäre er wieder nach oben gefahren, um seinen Frust an Eric auszulassen. Mit seinen Fäusten. Aber er war sich nicht sicher, wie er reagieren würde, wenn er ihm gegenüberstehen würde.
„Sean.“ Julia legte ihrem Partner behutsam die Hand auf den Rücken. Sie war ihm gefolgt und konnte sich kaum vorstellen, wie es jetzt in ihm aussehen würde. Der Detective zuckte zusammen und drehte sich um. Er starrte seine Kollegin an und schüttelte langsam den Kopf. „Ich wollte nur nachsehen, ob du…“ Julia schaute sich hilflos in der Gegend um. Ihr Blick blieb an dem zerbeulten Aschenbecher hängen. „Ob du etwas gefunden hast, an dem du deinen Frust ablassen kannst.“ Sie grinste leicht gequält und schaute in Seans ausdruckslose Augen. „Ich komm schon klar“, gab dieser emotionslos zurück. „Okay, dann… dann geh ich wieder hoch. Wenn du irgendetwas brauchst, dann komm bitte zu mir. Oder ruf mich an. Ich bin für dich da. Hast du das verstanden?“ Julia wollte sich ihre Besorgnis eigentlich nicht anmerken lassen, aber sie konnte sie nicht verbergen. Sean nickte und drehte sich wieder um. „Gut, dann geh ich mal wieder.“ Julia hob zaghaft die Hand und wollte sie auf seine Schulter legen, entschied sich aber dagegen. Dann drehte sie sich um und ging wieder in das Gebäude hinein.
***
Als sich die Türen des Aufzugs öffneten, sah Julia schon, dass Eric Stevens an ihrem Schreibtisch saß. Verwundert sah sie ihn an, als sie auf ihn zuging. "Kann ich Ihnen helfen?", fragte sie etwas unentschlossen. Sie wusste nicht, wie sie auf ihn reagieren sollte. Sie war nie ein Mensch gewesen, der andere vorverurteilte. Und damit wollte sie jetzt auch nicht anfangen. Aber Fakt war nun mal, dass dieser Mann Sean verletzt hatte. Sehr verletzt hatte. Julia entschied, sich so neutral wie möglich zu verhalten. "Ich habe auf Sie gewartet. Miss Morgan, richtig?" Eric stand auf und streckte Julia die Hand entgegen. "Das ist richtig", gab sie zurück und griff zögernd nach seiner Hand. "Sie sind also der berühmt-berüchtigte Eric Stevens." Sie lächelte ein wenig. "Nun ja, ich weiß weder ob ich berühmt, noch ob ich berüchtigt bin. Aber Eric Stevens stimmt schon mal." Eric setzte sein charmantestes Lächeln auf. "Sie sind also Seans neue Partnerin?" Julia nickte. "Dann wissen Sie sicherlich auch, was... was passiert ist." "Ich weiß, dass Sie beide einen Einsatz hatten, bei dem Sie angeschossen wurden. Ich weiß, dass man Sie für tot erklärt hat und ich weiß, dass das Sean ziemlich mitgenommen hat." Eric nickte. "Wissen Sie, wo Sean ist, Miss Morgan?" "Er steht unten und raucht eine." "Ist er auf mich sauer?" Kaum, dass Eric die Frage gestellt hatte, war ihm auch schon bewusst, dass sie überflüssig war. "Ich denke, das müssen Sie ihn fragen." Julia sah ihren Gegenüber an und verzog keine Miene. "Ich habe verstanden, Miss Morgan." Der Detective drehte sich um und ging langsam zum Fahrstuhl. Julia sah ihm nachdenklich hinterher. Dass Erics Rückkehr noch für reichlich Zündstoff sorgen würde, war ihr bewusst. Sie hoffte nur, dass die Kollateralschäden nicht ganz so groß ausfallen würden.
***
Brandon Kazzle sah auf seine zitternden Hände. Er wusste, dass das, was er im Begriff war zu tun, falsch war. Er wusste auch, dass er sich damit ganz schön tief reinreiten würde. Aber er war so versessen darauf an den Stoff zu kommen, dass er sein Gewissen mit einem tiefen Schluck aus der Whiskeyflasche beruhigte, die vor ihm auf dem Couchtisch stand. Brandon stand auf und wankte leicht benommen durch sein schäbiges Wohnzimmer. Die vergilbten Tapeten lösten sich bereits an einigen Stellen ab und ließen so einen Blick auf die völlig maroden, verputzten Wände zu. Der verschlissene Teppich war mit Brandlöchern übersäht, die entstanden waren, als Brandon im Rausch diverse Male seine Zigaretten fallen und sie, ohne sich weiter darum zu kümmern, brennen ließ. Er schob den braunen Perlenvorhang zur Seite, der das Wohnzimmer vom Flur abtrennte und schlurfte ins Bad.
Brandon lehnte sich gegen das Waschbecken und stellte den Kaltwasserhahn an. Im Spiegel betrachtete er sein Gesicht. Ein ausgemergelter Mann, Mitte 20, starrte zurück. Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen, seine Augen waren blutunterlaufen und seine Lippen aufgesprungen. Brandon schöpfte mit seinen Händen etwas Wasser aus dem Waschbecken und spritze es sich ins Gesicht. Heute würde es soweit sein. Und dann würde alles besser werden.
***
Karen McArcher war gerade dabei, ihre blonden, schon leicht grauen, Haare zu kämmen. Sie stand vor dem großen Spiegel in ihrem Ankleidezimmer und betrachtete sich eingehend. Obwohl sie mittlerweile in die Jahre gekommen war, war sie noch immer sehr zufrieden mit sich. Sie konnte vielleicht nicht mehr mit den jungen Frauen mithalten, die immer öfter die Benefizparties ihrer besten Freundin besuchten, um mit ihrem neuerworbenen Reichtum anzugeben, aber Karen fand, dass sie noch immer eine Ruhe und Gelassenheit ausstrahlte, die die Männer auch schon früher so attraktiv an ihr gefunden hatte.
Sie legte die Bürste beiseite und klopfte die Augenpartie mit dem Zeigefinger ab. Immer wieder hatte Margret, ihre Freundin, ihr gesagt, dass sie sich mit Botox behandeln lassen solle. Aber Karen fand, dass die Fältchen um ihre Augen ihr etwas Verschmitztes gaben. Sollen sich andere doch Chemie und Gift und was sonst noch immer unter die Haut spritzen lassen! Karen fand, dass sie das nicht nötig hatte.
Amüsiert über ihre Gedanken griff sie in die große Schmuckschatulle, die auf einem weißen, verschnörkelten Regal neben dem Spiegel stand. Sie zog eine edle Halskette, bestehend aus unzähligen schwarzen Perlen heraus und band sie sich um den Hals. Sie passte perfekt zu dem schwarzen, nicht zu tief ausgeschnittenen Oberteil und der weiten Hose, die sie trug. Zufrieden betrachtete sie ihr Werk, nahm dann ihren Mantel und verließ ihr Ankleidezimmer.
***
Sean war eine Stunde und sechs Zigaretten später noch immer sauer. Aber noch länger konnte er nicht vor dem SCU-Department stehen bleiben. Schließlich gab es auch noch was zu tun. Abgesehen davon, Eric zu verprügeln. Sean seufzte und atmete tief durch. So sehr er sich auch bemühte, konnte er seine Wut nicht herunterfahren. Das wiederum machte ihn noch wütender, da er nicht wollte, dass Eric bemerkte, wie sehr ihn die Rückkehr mitnahm.
***
William Morris saß in seinem Büro und beobachtete Eric Stevens. Der gutgebaute Mann würde mit hundertprozentiger Sicherheit für einigen Unmut sorgen. Nicht nur bei Sean Grant, sondern auch bei den restlichen Kollegen, davon war Morris überzeugt. Allerdings hatte er keine andere Wahl. Auch, wenn ihm nicht wohl bei der ganzen Angelegenheit war, musste er sein Team über den Wunsch des Bürgermeisters in Kenntnis setzten. Auch wenn er damit sorgte, dass die gesamte Einheit zu einem Pulverfass werden würde, bei dem nur ein einziger Funke reichen würde.
***
"Hey, geht's?" Eric ging auf Julia zu und nahm die Wasserflasche aus der Hand. "Es war einfach nicht zu übersehen, dass Sie damit schon seit einiger Zeit kämpfen!" Julia war zu perplex, um etwas zu erwidern und starrte deshalb nur auf Eric's kräftige Hände, die scheinbar mühelos den Schraubverschluss der Flasche öffneten. Einen Augenblick später war Julia auf sich selbst sauer. Sie wollte auf niemanden, wirklich niemanden, hilflos wirken. Vor allem nicht auf Männer. Und wie aus dem Nichts war Eric aufgetaucht und verschaffte ihr genau dieses Gefühl. "Dankeschön", sagte sie eine Spur zu kalt und nahm Eric die Flasche aus der Hand. Dann ging sie zu ihrem Schreibtisch und setzte sich an den Computer. Eric folgte ihr. "Gerngeschehen", gab er zurück und lächelte sie warm an. "Hören Sie, ich weiß, dass Sie Seans Partnerin sind und dass man sich als Partner bei allem beisteht, aber wäre es nicht trotzdem möglich, dass Sie mir eine Chance geben?"
"Was meinen Sie damit?" Julia war etwas verunsichert. "Nun ja, ich habe das Gefühl, dass Sie.... dass Sie mich nicht mögen und ich kann mir schon denken, warum. Aber wenn Sie die genauen Umstände kennen würden..." Eric zuckte etwas hilflos mit den Schultern. "Wie kommen Sie denn darauf, dass ich Sie nicht mögen würde?" Alles in Julia sträubte sich gegen den Gedanken, dass sie einen Menschen vorverurteilen könnte. Aber offensichtlich schien ihr Gegenüber genau dieser Ansicht zu sein. "Sie gehen mir aus dem Weg, Sie mustern mich ständig und Sie sind kurz angebunden, wenn ich mit Ihnen reden will." "Und daraus schlussfolgern Sie, dass ich Sie nicht mag?" Julia runzelte die Stirn und legte den Kopf schief. "Ich kenn Sie doch gar nicht. Glauben Sie tatsächlich, dass ich jemand wäre, der jeden Fremden wie einen verlorenen Sohn begrüsst?" "Nein", versuchte Eric sie zu beschwichtigen und trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. Diese Frau hatte Biss und das gefiel ihm. Er war sich aber auch sicher, dass sie Sean gefallen würde. "Ich hatte nur das Gefühl, dass Sie auf Seans Seite wäre und ich wollte Sie nur darüber aufklären, dass...." Weiter kam er nicht.
Zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten hatte sie der Detective aus dem Konzept gebracht. Das gefiel ihr überhaupt nicht. "Dafür, dass Sie sich für Eric entschieden haben." Julia starrte ihn eine Sekunde lang ausdruckslos an und fuhr dann fort: "Hören Sie Eric, ich bin zwar Seans Partnerin, aber das heißt nicht, dass ich alles, was er tut, problemlos billige. Und ich bin der Ansicht, dass mich Ihre Geschichte einfach nichts angeht. Ich kenne Sie nicht und ich war damals nicht dabei, als der ... der Vorfall passierte. Was auch immer Sie mit Sean abzumachen haben, haben Sie mit Sean abzumachen. Nicht mit Sean und mir." Julia sah ihn bestimmt an und wartete auf seine Reaktion. "Gut", antwortete Eric nach einer Weile. "Ich danke Ihnen für Ihre Ehrlichkeit." Er drehte sich um und ging davon. Julia blickte ihm erstaunt hinterher. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er sie für mögliche Versöhnungspläne einspannen wollen würde.
***
Sean stieg aus dem Fahrstuhl und sah, wie sich Eric mit Julia unterhielt. Ein kleiner Eifersuchtsstich gesellte sich zu seiner erneut aufkeimenden Wut. Er wartete, bis sich Eric verzogen hatte und ging dann zu seiner Partnerin. "Na, habt ihr euch schon bekannt gemacht?", fragte er kühl als er am Schreibtisch angekommen war. Julia zuckte leicht zusammen und drehte sich um. Dann lächelte sie. "Ich hab dich gar nicht kommen hören." "Das habe ich mir schon gedacht. Du warst ja auch beschäftigt", erwiderte er ohne eine weitere Gefühlsregung. Julia stutzte. "Was soll das denn bedeuten?" "Nichts. Ich hab mich nur gefragt..." "Was? Warum ich mich mit Stevens unterhalten habe?" Julia konnte es nicht fassen. Erst Eric, dann Sean. Konnten es die Männer denn nicht verstehen, dass sie mit der ganzen Sache nichts zu tun haben will?
"Sean, ich habe ihm lediglich gesagt, dass das alles euer Bier ist und ich da nicht mit reingezogen werden möchte. Ich war damals nicht dabei. Ich kann und werde nichts dazu sagen. Aber ich werde dir zuhören, wenn du über das alles reden willst." "Dann sollte ich wohl danke sagen, was?" Sean ließ sich auf seinen Stuhl fallen und begann, missmutig in den Akten zu blättern, die auf seiner Seite des Schreibtischs lagen. "Deinen Sarkasmus kannst du bei anderen anwenden, Sean!", erwiderte Julia und starrte ihn an. "Was auch immer." Julia schüttelte den Kopf und widmete sich wieder dem Papierkram. Männer!
***
Eric schloss die Tür von Morris' Büro. "Setzen Sie sich", sagte der Chef der SCU. "Sie wissen, was ich mit Ihnen bereden will, nicht wahr?", fragte er nachdem Eric auf dem Stuhl Platz genommen hatte. "Ich habe noch nicht mit Sean gesprochen. Ich wollte, aber er..." "Das war es nicht", wurde Eric scharf unterbrochen. "Aber es ist gut zu wissen, dass Sie sich auch um diese Sache kümmern wollen. Ich rede von Ihrem Job bei uns. Ich werde es morgen den Kollegen sagen. Stellen Sie sich schon mal auf einige verdutzte Gesichter ein, um es mal vorsichtig auszudrücken." Eric seufzte. "Ja, damit werde ich rechnen." "Gut." Morris war zufrieden. "Dann schauen Sie sich noch mal eine Weile um, machen Sie sich mit allem Neuen vertraut und dann sehen wir uns morgen pünktlich um acht." "Ja, Sir." Eric stand auf und drehte sich um. "Und, Stevens, was die Sache mit Grant betrifft, rate ich Ihnen, alles so schnell wie möglich ins Reine zu bringen. Das letzte, was ich bei der SCU brauche, sind zwei Streithähne, die es nicht fertig bringen, miteinander zu reden. Das war's."
***
Brandon Kazzle stieg aus dem Auto. Sein schlecht sitzender, billiger Anzug hinterließ überall am Körper juckende Stellen. Noch immer standen Schweißperlen auf seiner Stirn. Den Geruch von Fusel hatte er versucht, mit Deo und Kaugummi zu übertünchen, was ihm nur zum Teil gelungen war. Noch immer strömte er den leichten, unangenehmen Geruch eines Betrunkenen aus.
Er stieg die Treppen zur Villa hinauf und blieb für einen Augenblick auf der obersten Stufe stehen. Fast erfürchtig drehte er sich herum und betrachtete den gepflegten Garten mit dem millimeterkurzen Rasen, den rund geschnittenen Bäumen und der scheinbar undurchdringbaren Hecke. Alle paar Meter verteilt standen weiße Statuen. Frauen, die in leichte Gewänder gehüllt waren und an die Protagonistinnen griechischer Tragödien erinnerten.
Er betrachtete auch das Haus, das größer war als alles, was er bisher gesehen hatte. Sicherlich, im Fernsehen wurden ständig irgendwelche Villen oder Schlösser gezeigt. Aber er hätte nicht im Traum damit gerechnet, dass er selbst einmal eines dieser Gebäude betreten würde. Vor ihm stiegen zwei riesige Säulen empor, die aussahen, als wären sie aus Mamor gefertigt worden. Als er daran dachte, wer in diesem Haus wohnte, war er sich sicher, dass sie es auch tatsächlich waren. Die Eingangstür war mit schweren schmiedeisernen Gittern versehen. Dahinter konnte er kunstvoll verzierte Glasscheiben erkennen. An der oberen Ecke des Eingangs sah er die Überwachungskamera, mit der er gerechnet hatte. Ihr Objektiv zeigte direkt auf sein Gesicht.
Kazzle senkte den Kopf und ging langsam zur Tür. Er war nervös, seine Hände waren schweißnass. Aber wenn es tatsächlich alles so war, wie es ihm gesagt wurde, würden sich an diesem einen Abend all seine Probleme in Luft auflösen. Durch diesen Gedanken ermutigt, beruhigte er sich ein wenig. Er setzte sein charmantestes Lächeln auf und drückte auf die Klingel.
***
"Grant? Morgan? Büro!" William Morris Anweisung fiel dermaßen knapp aus, dass sich Julia und Sean verwundert ansahen, gleichzeitig aufstanden und seiner Bitte sofort folgten. "Setzen Sie sich!", sagte Morris nachdem die beiden in sein Büro getreten waren. Auf seinem Schreibtisch lag eine geöffnete Akte, aus der er ein Foto herauszog und es Sean gab. "Das ist Karen McArcher. Sie wurde vor einer Stunde tot in ihrer Villa in Staten Island aufgefunden. Sie wurde erschossen. Einbruchsspuren wurden nicht gefunden." "Karen McArcher?", hakte Julia nach. "Ist das nicht diese Society Lady?" Sean schenkte ihr einen leicht amüsierten Blick. Er hatte Julia viel zugetraut, aber dass sie Klatschzeitungen lesen würde, war ihm neu. "Genau die. Und weil sich der Bürgermeister immer gleich ins Hemd macht, wenn eine Person der gehobeneren Gesellschaftschicht seiner Stadt das Zeitliche unerwartet segnet, wurden auch keine weiteren Ermittlungen seitens der NYPD eingeleitet. Sie beide werden das Vergnügen haben, sich um das Ableben von Karen McArcher zu kümmern. Und zwar sofort." Morris ließ keinen Zweifel daran, dass es ihm lieber war, die Detectives wären schon am Tatort anstatt noch in seinem Büro zu sitzen. Julia und Sean standen auf, holten ihre Jacken und machten sich auf den Weg nach Staten Island.
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"Oh, die Kollegen vom SCU sind da. Dann können wir jetzt wohl einpacken, was?" Ein Officer der NYPD, der die Villa von Karen McArcher bis jetzt bewacht hatte, betrachtete Sean und Julia spöttisch. "Zum Glück hat die Stadt New York aber eine Aufklärungseinheit, die bei solchen Fällen auch vorzeigbar ist." "Du mich auch!", knurrte Sean und ging, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, ins Haus. Als er die Eingangshalle betrat, konnte er eine Frau sehen, die sich über einer Leiche gebeugt hatte. "Hi Chris", sagte Sean und lächelte die Gerichtsmedizinerin an. "Hallo Sean, hi Julia." Dr. Christina Stern stand auf, zog den Gummihandschuh ab und reichte den beiden Detectives die Hand. "Schön hast du's hier", gab Sean zu Protokoll und sein Blick streifte umher. Ein paar Meter entfernt bogen sich zwei große Treppen in den ersten Stock des Hauses. Die Fliesen waren eindeutig aus Mamor und auch die Möbel, die Sean in der Eingangshalle und den angrenzenden Zimmern entdecken konnte, schienen von stilvollem und vor allem teurem Geschmack zu sein. "Nicht wahr?", antwortete Chris lachend. "Wesentlich besser als meine Leichenhalle." "Und, kannst du uns schon was sagen?", fragte Julia lächelnd. "Geht davon aus, dass sie aus nächster Nähe erschossen wurde. Die Eintrittswunde ist hier." Sie zeigte auf die Brust des Opfers. "Die Austrittswunde unterhalb des Schulterblattes. Die Kugel wurde schon gefunden. Nach allem, was ich jetzt gesehen habe, würde ich sagen, dass sie direkt ins Herz getroffen wurde. Entweder, war der Mörder ein guter Schütze oder er hatte verdammt viel Glück gehabt." "Im Gegensatz zu ihr", gab Sean trocken zurück, was Julia zu einem sarkastischen Lächeln veranlasste. "Stimmt. Ich werde sie jetzt mit in die Pathologie nehmen und werde euch dann anrufen, sobald ich was Genaues weiß." "Wie immer, Chris." "Wie immer, Sean." Christina wies ihren Assistenten per Handzeichen an, den leblosen Körper in eine der dunklen Plastiksäcke zu stecken, die bei der NYPD Standart waren, während sich Sean und Julia einen Überblick verschafften.
Nach einer Stunde waren sie fertig. "Raubmord. Was sagst du?" Sean steckte sich eine Zigarette an, als er auf die Straße trat. "Ich glaube auch. Ich habe mit Hal von der Spurensicherung gesprochen. Die Fingerabdrücke an der Schmuckschatulle und dem Safe sind schon im Labor und laufen gerade durch. Wenn wir Glück haben, ist der Mörder bei AVIS gespeichert und wir haben in Nullkommanichts den Täter. Außerdem haben wir noch die Bänder der Überwachungskamera, die ebenfalls durchgesehen werden. Allerdings ist die Qualität nicht die beste, wie die Kollegen gesagt haben. Das könnte also ins Leere gehen. Aber wie gesagt, die Fingerabdrücke sind dafür umso besser und könnten eine Spur bringen." "Das wäre zur Abwechslung ja mal eine gute Nachricht", antwortete Sean und inhalierte den Rauch seiner Zigarette.
"Wolltest du nicht aufhören?", fragte Julia und bemühte sich, nicht ganz so vorwurfsvoll zu klingen. "Hab ich", erwiderte Sean. "Und?" "Und jetzt hab ich wieder angefangen." Er grinste.
Julia zuckte mit den Schultern und sagte nichts. Sie wollte nicht, dass er etwas in den falschen Hals bekam und war sich sicher, dass es so wäre, wenn sie ihn weiter darauf ansprechen würde. "Gut, dann fahren wir wieder zurück und warten auf die Anrufe von Chris und Hal?" "Abgemacht!" Sean schnippste den Rest seiner Zigarette in den Gulli und holte die Autoschlüssel aus seiner Tasche. "Willst du fahren?", fragte er Julia. "Bist du krank?", war ihre ironische Antwort. "Ich denke nicht. Also was ist. Willst du?" Julia guckte ihren Partner verwundert an, entschied sich dann aber, nicht länger zu zögern und schnappte sich die Schlüssel. Wer wusste schon, wann es das nächste Mal ein solches Angebot geben würde?
***
"Und?", fragte Morris nachdem die beiden Detectives ins SCU-Büro zurückgekehrt waren. "Wahrscheinlich Raubmord. Der Mörder hat McArcher aus nächster Nähe erschossen und sie direkt ins Herz getroffen, soweit es die Gerichtsmedizinierin sagen konnte. Sie wird uns aber noch die Einzelheiten liefern. Schmuck und Bargeld wurden gestohlen, die wertvollen Gemälde und Skulpturen allerdings da gelassen. Ich tippe auf einen Anfänger, der das große Geld machen wollte und nicht den geringsten Schimmer von zeitgenössischer Kunst hatte. Ich meine, wer lässt schon einen Anselm Kiefer hängen, der auf dem Schwarzmarkt mehrere Millionen gebracht hätte?" Sean zuckte mit den Schultern und fuhr dann fort. "Die Spurensicherung hat mehrere Fingerabdrücke gefunden, die gerade alle überprüft werden. Vielleicht ergibt sich ja was." Morris nickte. "Halten Sie mich auf dem Laufenden." Sprach's und verschwand in sein Büro.
Sean und Julia setzten sich an ihre Computer und begannen damit, ihre vorläufigen Untersuchungsergebnisse einzugeben, als Eric langsam auf sie zukam. Er nickte Julia zu und stellte sich dann vor Seans Schreibtisch. "Ich muss mit dir reden." Sean reagierte nicht. Julia versuchte, sich so gut wie möglich auf ihren Computer zu konzentrieren, aber sie konnte nichts dagegen tun, dass sie sich unwohl fühlte. "Sean. Bitte. Ich will es dir erklären." Sean tat, als würde er nichts hören und vertiefte sich in seine Akte. "Himmel, jetzt gibt mir doch eine Chance. Ich wollte dich nicht im Unklaren lassen. Ich hatte versucht mit dir zu reden, aber es ist immer wieder etwas dazwischen gekommen." Sean blätterte unbeteiligt in der Akte. Julia schaute verstohlen auf und sah, dass seine Hand zitterte. "Sean, ich will das mit dir klären..." Eric stand mit geballten Fäusten da und hatte Mühe, sich zu beherrschen. Sean ging es offenbar ebenso. Abrupt stand er auf und sah Julia an. "Willst du auch einen Kaffee? Ich geh mir einen holen. Irgendwie hab ich nämlich das Gefühl, dass es hier stinkt." Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er zum Fahrstuhl.
Julia guckte ihrem Partner hinterher. Dann schaute sie Eric an und zuckte hilflos mit den Schultern. "Lassen Sie ihm noch etwas Zeit. Er muss erstmal damit klarkommen, dass Sie wieder leben... noch leben... also... nicht tot sind. Sie wissen schon, was ich meine." Eric nickte. Er tat ihr leid. Am liebsten hätte sie Sean dazu gezwungen, mit ihm zu reden. Aber sie wusste, dass er es von sich aus tun musste. Den restlichen Tag verbrachte Julia dennoch damit, nach einem Weg zu suchen, wie sie die beiden dazu bringen konnte, sich wieder zu versöhnen. Zum einen, weil sie nicht wollte, dass Sean weiter litt, zum anderen weil sie wusste, dass die Freundschaft zwischen den beiden Männern sehr eng gewesen war. Sie wollte einfach nicht, dass Sean noch einmal seinen besten Freund verlor. Als der Feierabend kam, war sie jedoch kein Stück weiter.
***
Am nächsten Morgen klingelte kurz nach acht das Telefon. Sean und Julia waren gerade kurz nacheinander im Büro eingetroffen und wunderten sich über den frühen Anruf. Sean stellte die Kaffeebecher, die er auf dem Weg in die SCU besorgt hatte, auf den Tisch, während Julia den Hörer abnahm. Nach ein paar Minuten legte sie auf und war gerade im Begriff, Sean zu informieren, der sie erwartungsvoll ansah, als wieder der Apparat läutete. Julia runzelte die Stirn und sah Sean fragend an. Dieser zuckte nur kurz mit den Schultern und ging ran. "Ich verstehe", sagte er nach einer Weile und bedankte sich dann bei seinem Anrufer. "Ich hatte gerade einen Anruf zu unserem Fall. Was hattest du?", fragte er seine Partnerin. "Ebenfalls", erwiderte sie grinsend. "Ich hab einen Schuss direkt ins Herz. Sofortiger Tod. Abgefeuert aus einer .33er. Todeszeitpunkt zwischen 11:30 und 13:00. Und du?" "Die Fingerabdrücke auf Schmuckschatulle und Tresor stammen von einem gewissen Brandon Kazzle. Mehrfach vorbestraft wegen Drogenbesitzes und -Handels, einige Raubüberfälle und Körperverletzung. Könnte nach dem Fotovergleich auch durchaus mit dem Kerl übereinstimmen, der auf den Überwachungsbändern zu sehen ist." Julia blätterte in ihren Aufzeichnungen. "Die Haushälterin von Mrs. McArcher hat ausgesagt, dass sie wie jeden Tag um 11 Uhr zum Einkaufen gefahren wäre und davor das Haus geputzt hatte. Das stimmt also mit dem Zeitpunkt des Todes überein. Heißt: Kazzle muss nach 11 Uhr bei McArcher gewesen sein. Der Typ auf den Bändern war es jedenfalls. Wenn das mal nicht tief blicken lässt." Sean nickte und wählte die Nummer des zuständigen Polizeidepartments.
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"Was haben Sie?", fragte William Morris leicht mürrisch, als Sean und Julia sein Büro betraten. "Einen Mörder. Und Sie?", gab Sean flapsig zurück und fing sich damit einen entnervten Blick seines Chefs ein. "Sie zuerst." Julia nickte und holte ihren Notizblock heraus. "Karen McArcher wurde gestern vormittag tot in ihrem Haus aufgefunden. Todesursache war ein Schuss aus nächster Nähe mitten ins Herz. Sie wollte zu einem Charity-Lunch gehen, als sie vom Mörder überrascht wurde. Die Mordwaffe war eine .33er. Diese wiederum gehört einem mehrfach vorbestraften Mann, dessen Fingerabdrücke am Tatort gefunden wurden. Sein Name ist Brandon Kazzle." Julia guckte von ihren Notizen hoch und blickte in zwei erwartungsvolle Gesichter. Sie fuhr fort: "Brandon Kazzle wurde vor gut einer Stunde von den Kollegen von der NYPD in seiner Wohnung festgenommen und hat bereits den Mord an McArcher gestanden. Er hatte vorgegeben, sie zum Lunch abholen zu wollen, um in ihr Haus zu kommen. Die Informationen dazu hatte er von einem befreundeten Drogendealer, sagt er. Diesem sollte er übrigens auch 50 Prozent der Beute abtreten. Als McArcher skeptisch geworden ist, ist er durchgedreht und hat sie erschossen."
"Fall gelöst, würde ich sagen." Sean räkelte sich selbstgefällig in seinem Stuhl und grinste seinen Chef an. "Das glaube ich auch", gab dieser zurück. "Der Bürgermeister lässt Ihnen sicherlich seine besten Grüße ausrichten." Sean lachte kurz auf und erhob sich dann. "Nein, warten Sie", pfiff ihn Morris zurück. "Ich habe da noch etwas, was ich zuerst mit Ihnen besprechen will." Er winkte in Richtung Tür, woraufhin sich diese öffnete und Eric eintrat.
Seans Miene verfinsterte sich. "Auf Wunsch des Bürgermeisters hin, wird Detective Eric Stevens ab sofort ihr Supervisor sein." "Er wird was?", entfuhr es Sean. Er machte keinen Hehl daraus, dass er mit dieser Entscheidung nicht einverstanden war. "Er wird Ihr direkter Vorgesetzter werden. Alles, was Sie ab sofort bearbeiten, werden Sie Stevens melden. Er wird mir dann Bericht erstatten." "Das glaub ich nicht!", sagte Sean laut und sprang wütend auf. "Dafür, dass er uns alle an der Nase herumgeführt hat, wird er auch noch belohnt?" "Das hat er nicht. Ich wusste von seinem Undercover-Einsatz. Allerdings ist durch die Drogengeschichte damals der ganze Ablauf durcheinander gekommen. Als Eric angeschossen wurde, hatte das FBI entschieden, ihn sofort ins Programm zu holen und nicht noch länger zu warten. Deshalb wurde er für tot erklärt. Es kam völlig überraschend. Ich selbst wurde erst sehr viel später darüber informiert, dass er nicht tot ist." "Na, da fällt mir aber ein Stein vom Herzen", knurrte Sean wütend. "Ich will, dass Sie Ihre Differenzen jetzt beilegen und sich wieder Ihrem Arbeitsalltag widmen." Morris machte durch seinen Tonfall klar, dass dies keine Bitte, sondern ein Befehl war. Julia nickte und sah Sean besorgt an, der vor Wut so angespannt war, dass seine Kiefermuskeln hervortraten. "Natürlich, Sir. Sämtliche Differenzen sind ab sofort verbannt. Ich wünsche Ihnen sehr viel Glück, bei der Ausführung ihres Jobs, Mr. Stevens. Auf gute Zusammenarbeit." Sean ging wütend aus dem Büro und knallte die Tür hinter sich zu. Julia sah erst ihren Chef an und dann ihren neuen Vorgesetzten. "Das kann ja heiter werden", murmelte sie.
Eric saß an der Bar und fragte sich gerade zum hundertsten Male, warum er dieses peinliche Spiel mitspielte. „Weil Sean dein bester Freund ist“, gab er sich sogleich selbst die Antwort und nahm einen weiteren kräftigen Schluck von seinem Bier. Er beobachtete Julia und Sean aus dem Augenwinkel heraus und kam dabei zu zwei Schlussfolgerungen:
Nummer Eins – Julia war eine wirklich attraktive Frau. Nummer Zwei – Sean verhielt sich wie ein Idiot!
Nightshadow Junges Fohlen
Anzahl der Beiträge : 116 Alter : 28 Howrse-Login : Syrana Anmeldedatum : 10.09.11
Thema: Re: [Virtual Series] Sentiment Crime Do März 08, 2012 8:34 am
WOW!! Ich liebe deine Geschichten, sie sind immer wahnsinnig gut geschrieben und sehr spannend!
Ich bin mal gespannt wie es mit Sean-Eric und Sean-Julia weitergeht. Ob Sean sich endlich wieder mit Eric verträgt und diesen als sein Vorgesetzter (übrigens super tolle Idee) akzeptiert oder nicht....
Thema: Re: [Virtual Series] Sentiment Crime Do März 08, 2012 8:58 am
Da muss ich Nightshadow absolut zustimmen.
Ich dachte erst, wo Eric auftaucht, dass Sean irgendeinen schlechten Traum hat oder so. Aber das er tatsächlich wieder da ist, macht die ganze Sache herrlich verworren und durcheinander.
Wer weiß? Vielleicht ist Eric ja Typ Frauenheld und es kommt zu wunderbaren Spannungen zwischen der Dreier-Kombi Sean-Eric-Julia
Jazz About Junges Fohlen
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Thema: Re: [Virtual Series] Sentiment Crime Do Apr 12, 2012 5:22 am
@Nightshadow und Phar Lap: Habt lieben Dank für eure Feedbacks! Tja, jetzt wo Eric wieder da ist, kann es ja nun richtig losgehen, hihi *sich verschmitzt die Hände reibt* Wir werden sehen, wo diese spannende 3er Kombi noch hinführt
S2E02 - Hide And Seek
CastS2E02: Sean Grant – Wentworth Miller Julia Morgan – Michelle Monaghan Eric Stevens – Eric Dane Dr. Christina Stern (Gerichtsmedizinerin) - Charisma Carpenter Vince Stern (Chris Ehemann und Opfer) Tobias Rikson (Täter) - Zac Efron Franziska Rikson (Ehefrau des Täters) - Claire Danes
Dr. Christina Stern stand im Überwachungsraum der Intensivstadion und blickte durch die Spalten des Rollos in das Zimmer. Dort lag ihr Mann in einem sterilen weißen Bett, angeschlossen an Unmengen von Monitoren und Infusionen und kämpfte um sein Leben.
„Chris! Was ist passiert? Wie geht es ihm?“, Christina drehte den Kopf und sah, wie Sean und Julia auf sie zukamen. Bereitwillig schmiegte sie sich an Sean`s Brust, als er sie tröstend in die Arme schloss.
„Ich weiß es nicht, in einem Moment war noch alles in Ordnung....Wir haben getanzt, die Gäste waren in guter Stimmung....im nächsten Augenblick brach er einfach so zusammen. Die Ärzte haben noch nichts genaueres herausgefunden, nur dass es sich um eine Vergiftung handeln soll. Im Augenblick ist er halbwegs stabil, aber die nächsten 24 Stunden werden noch entscheidend sein.“ Sean strich Christina beruhigend über den Rücken. Die sonst so taffe kühle Pathologin war mit den Nerven sichtlich am Ende.
„Komm erstmal mit, setz dich ein wenig hin, ruh dich aus und ich hol dir einen Kaffee“, Julia legte Chris behutsam eine Hand auf den Rücken und führte sie in einen der Warteräume.
Sean sah in das Krankenzimmer, wie schon Christina zuvor. Wer konnte Christinas Mann etwas antun wollen? Er kannte Vince Stern seit einigen Jahren. Er war als Immobilienmakler tätig und engagierte sich sehr für wohltätige Zwecke. Warum also dieser Mordanschlag? Denn nichts anderes war es, dessen war Sean sich sicher.
Das Klingeln seines Handys störte Sean in seinen Überlegungen. Ein Blick auf das Display ließ ihn mit den Augen rollen. Mehr als widerwillig hob er schließlich ab.
„Grant“, meldete er sich betont distanziert. „Sean, wo seid ihr?“, drang die Stimme von Eric durch das Handy. „Im Krankenhaus“, antwortete Sean einsilbig. „Im Krankenhaus? Warum das denn?“, fragte Eric irritiert nach. „Chris` Mann wurde allem Anschein nach vergiftet.“ „Vince wurde vergiftet? Bist du sicher?“, kam es prompt von Eric zurück.
Sean hatte alle Mühe ruhig zu bleiben. Wenn er sich sicher wäre, hätte er dies gesagt. Was ging das alles überhaupt Eric an? Immerhin war er einige Zeit fort gewesen. Hatte er überhaupt noch irgendwelche Freunde? „Was ist der Grund deines Anrufes?“, drehte er den Spieß kurzerhand um. „Ihr solltet vor einer halben Stunde zur Teambesprechung hier sein“, informierte Eric Sean und ignorierte dabei dessen kühlen Unterton. „Oh das tut mir natürlich sehr leid Herr Supervisor Stevens, wie konnte mir nur der Mordanschlag auf einen Freund wichtiger sein, als die Teambesprechung. Natürlich werden wir sofort alles stehen und liegen lassen, um zu Ihnen zu kommen“, Seans Stimme tropfte geradezu vor Sarkasmus ehe er das Handy einfach zuklappte und ausschaltete.
Eric saß in seinem Büro und starrte ungläubig den Hörer an. Hatte Sean sich eben – wieder einmal – wie ein Kleinkind benommen? Und – was noch viel wichtiger war – hatte Sean wirklich einfach aufgelegt? Eric spürte, wie die Wut in ihm hochkroch. "Ar***loch! Wie konnte ich denn wissen, dass...." Wütend knallte er den Hörer in die Gabel und schnaufte in die Gegend, ehe er versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Blick ging aus dem Fenster seines Büro hinaus. Er konnte Sean verstehen – natürlich konnte er das. Er war sein bester Freund. Immer noch. Aber langsam hatte er die Schnauze gründlich voll. Er wollte es ihm erklären, doch Sean blockte ständig ab. Mehr konnte er beim besten Willen nicht tun. Zudem verlor er langsam die Lust daran, Sean wie ein Hund hinterherzulaufen.
***
Julia und Sean hatten bei Christina gesessen, bis ihre Mutter eingetroffen war, um ihr beizustehen. Danach machten sich beide auf dem Weg zum SCU. Schweigend lenkte Sean den Wagen zu ihrer Arbeitsstätte. Julia konnte sehen, wie sein Kiefer mahlte. Er nahm die Sache persönlich. Verständlich, da Chris und Vince Freunde von ihm waren.
Die Ärzte hatten herausgefunden, dass es sich bei der Substanz, welches Vince verabreicht worden war, um ordinäres Rattengift handelte. Vermutlich war es in seinem Drink aufgelöst worden. Das erklärte auch, warum er den bitteren Geschmack nicht bemerkt hatte.
Sean nestelte mit einer Hand nach einer Zigarette aus der Packung, während die Andere das Steuer fest umklammert hielt. Er steckte sich den Glimmstengel zwischen die Lippen und klopfte seine Jackentasche nach einem Feuerzeug ab.
„Was glaubst du, was du da tust?“, wollte Julia betont ruhig wissen. „Wonach siehts denn aus?“, kam prompt die Antwort. „Du wirst doch jetzt nicht im Wagen rauchen!“, in Julias Stimme schwang ein empörter Unterton mit.
Sie mochte Sean, doch seit Eric vor zwei Wochen wieder aufgetaucht ist, war es, als ob ihr Partner ein anderer Mensch wäre. Sarkasmus war quasi zu seinem zweiten Vornamen geworden und Julia verfolgte die Wandlung Sean`s mit einem mehr als unguten Gefühl. Ganz abgesehen von seinem Frust, kam ihr Sean wie ein wandelnder Aschenbecher auf zwei Beinen vor. Jeder Zug aus seinem Glimmstengel ließ ihn noch nervöser aussehen und unterstrich das Bild seines momentanen Zustandes.
Entnervt warf Sean die unangezündete Zigarette in die Mittelkonsole des Wagens. Er hasste es, wenn Julia das tat. Julia hasste es, wenn Sean das tat. Die Fronten verhärteten sich immer mehr. Im Wagen herrschte Totenstille.
Kaum dass der Wagen fünf Minuten später auf dem Parkplatz des SCU zum Stehen gekommen war, sprang Sean auch schon heraus und trottete sicheren Schrittes auf den Eingang zu. Dort nahm er den, ihm inzwischen schon so vertrauten Platz neben dem Aschenbecher ein und zündete sich eine Zigarette an.
Julia folgte ihm einige Minuten später. Bepackt mit einigen Akten, passierte sie die Eingangstüre neben Sean, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Er verhielt sich wie ein Kind und sie hatte nicht vor, diesem Kind die gewollte Aufmerksamkeit zu schenken.
Kaum hatte sie den Aktenberg auf ihren Schreibtisch gleiten lassen, stand plötzlich, wie aus dem Nichts, Eric neben ihr.
„Wie war`s im Krankenhaus? Irgendwelche Neuigkeiten?“, wollte er von Julia wissen. „Vince wurde Rattengift verabreicht. Motiv ist noch keins bekannt“, gab Julia bereitwillig Auskunft und ließ sich ihre Verwunderung, dass Eric von dem Vorfall wusste, nicht anmerken. „Wo ist Sean?“ „Rauchen“ „Wo auch sonst“, Eric seufzte und setzte sich auf die Kante des Schreibtisches.
„Er will einfach nicht mit mir reden. Was ich auch versuche, es ist alles für die Katz´.......," Ein seltsamer Ausdruck legte sich auf sein Gesicht. "Kannst du nicht ein gutes Wort für mich einlegen?“, bat er Julia schließlich. „Tut mir leid, es ist, als wenn man mit einer Wand reden würde. Zudem habe ich nicht vor, zwischen die Fronten zu geraten“, lehnte Julia bestimmt ab. „Zwei Wochen sind nun vergangen und es ist immer noch kein normales Gespräch zwischen uns möglich“, versuchte Eric es noch einmal. „Das ist mir durchaus bewusst“, nun wurde Julia zickig. Sie hatte eine klare Aussage getroffen, es reichte ihr schon, dass Sean sich wie ein Irrer benahm, wenn nun auch noch Eric dachte, sie manipulieren zu können war das Maß voll!
***
„Was wollte der denn schon wieder?“ Unbemerkt war Sean an Julia heran getreten. „Er hat sich nach Vince erkundigt, immerhin ist er ja anscheinend auch mit den Sterns befreundet“, gab Julia bereitwillig Auskunft. „Pfff“, entfuhr es Sean abfällig. „Er weiß doch gar nicht, was Freundschaft ist“ „Meinst du nicht, du bist jetzt etwas zu hart?“ Er ist....war....na du weißt schon, er ist dein bester Freund! Ich habe hautnah miterlebt, wie sehr du ihn vermisst hast. Aber nun ist er wieder da Sean, das müsste doch eigentlich, trotz allem, ein Grund zur Freude sein“ Julia war sich darüber im Klaren, dass sie sich gerade auf sehr dünnem Eis befand. Dennoch, einmal wollte sie es versucht haben, die beiden Männer einander wieder näher zu bringen.
„Er WAR mein bester Freund, jedenfalls dachte ich das. Du müsstest es eigentlich verstehen. Eben weil du mitbekommen hast, wie ich gelit.....wie es mir ergangen war und was ich mir für Vorwürfe gemacht habe. Selbst meinen Dienst wollte ich quittieren. Als mein angeblich bester Freund hätte er es mir sagen müssen, er hätte mir vertrauen müssen!“ Sean war bei den letzten Worten immer lauter geworden, während er mit den Fingern unterstützend in der Luft fuchtelte. Insgeheim wusste Sean, dass Eric keine Wahl gehabt hatte. Er kannte die Regeln für Undercover Einsätze. Aber seine Enttäuschung darüber war zu groß und hinderte ihn daran, seinen verletzten Stolz abzulegen. Plötzlich hörte er auf zu zappeln und stand einfach nur still vor Julia.
Julia nutzte diesen kurzen Augenblick, um Sean wissend über den Arm zu streichen.
„Ich bin eine rauchen“ Seans Stimme klang völlig emotionslos. "Ist gut." Julia sah ihm mit einem sorgenvollen Blick nach. Einen kurzen Augenblick lang dachte sie darüber nach, wieviel Schritte sie und Sean seit dem Augenblick zurück gegangen waren, nachdem Eric von den Toten auferstanden war.
***
„Chris? Was machst du denn hier?“ begrüßte Julia die Pathologin überrascht. „Mir ist etwas eingefallen, aber es ist ziemlich weit hergeholt, deshalb wollte ich mit einem von euch beiden sprechen“, erklärte Dr. Christina Stern und ließ sich dankbar auf den Stuhl gleiten den Julia ihr hinschob.
„Ja sicher, warte ich hole Sean“, Julia griff zum Telefon und wählte die Nummer ihres Partners. Während es klingelte, kam sie nicht umhin, zu bemerken, wie blass und müde Chris aussah. Wie würde es mir gehen, wenn der Mann, den ich liebe, im Sterben liegt?, schoss es ihr unwillkürlich durch den Kopf. Oder wenn mein bester Freund plötzlich tot wäre. Mit einem Mal verstand sie Seans Wut viel besser. Mit weicher Stimme bat sie ihren Partner, der just in diesem Moment abgehoben hatte, ins Büro zu kommen.
***
Sean und Julia hörten Chris bei Ihren Ausführungen konzentriert zu. „…..und dann meinte er, dass er mich dafür kalt machen würde, auf die gleiche Weise wie er auch seine Mutter aus dem Weg geräumt hatte. Und das nur, weil ich diesem Jungspund klar machen wollte, dass er und ich ganz sicher keine Zukunft miteinander hätten und er sich eine Freundin in seinem Alter suchen soll“, schloss Chris ihre Erzählung.
„Und du bist dir sicher, dass er wieder auf freiem Fuss ist?“, wollte Sean wissen.
„Sicher bin ich nicht, deshalb bin ich ja hier. Es ist nur so ein Gefühl und, wie gesagt , weit hergeholt. Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, seine neue Freundin auf dem Empfang gesehen zu haben“, erklärte Christina.
Julia tippte in ihren Computer.
„Du hast Recht. Er wurde vor 10 Tagen entlassen, hat er ja keine Zeit verschwendet“, murmelte sie und tippte weiter.
„Bingo. Er arbeitet mittlerweile für die Cateringfirma, die den Empfang ausgerichtet hat“
„Wir kriegen ihn Chris!“, Schon war Sean aufgesprungen und griff nach seiner Jacke. Christina lächelte leicht und stand auf.
„Danke, dass ihr euch darum kümmert. Vince ist zwar mittlerweile außer Lebensgefahr, aber ich könnte dennoch besser schlafen, wenn ich wüsste, dass der Mistkerl hinter Gittern sitzt – sofern er es war.“
***
Tobias Rikof wurde noch am gleichen Tag verhaftet. Das bloße Auftauchen von Sean, Julia und den Beamten, hatte dazu geführt, dass Franziska Rikof – mittlerweile mit Tobias Rikof verheiratet – alles gestand. Zu sehr fürchtete sie sich davor, der Beihilfe beschuldigt zu werden. Als sie jedoch von den wahren Motiven erfuhr, die Tobias hegte, wurden Sean und Julia Zeuge eines kurzweiligen, heftigen Rosenkrieges zwischen Franziska und Tobias. Mit ruhigen Händen führten die Beamten das keifende Ehepaar ab.
Tobias hatte sich bei der Cateringfirma nur aus einem Grund beworben: Um nahe genug an Chris heran kommen zu können. Es war schon seit Monaten bekannt gewesen, dass Christina an diesem Abend bei dem Empfang anwesend sein würde, da sie selbst eine Auszeichnung erhalten sollte. Dass nicht Chris, sondern Vince den vergifteten Drink erwischt hatte, war ein bloßes Versehen gewesen.
Tobias selbst zeigte weder Reue noch Einsicht. Im Gegenteil, er schwor, diesen Fehler zu korrigieren und Chris das nächste Mal zu erwischen.
Sean schüttelte den Kopf „Wie kann man nur so nachtragend sein?“ Julia hielt wohlweislich den Mund. In ihrem Kopf aber formte sich ein Plan.
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„Feierabend“, verkündete Sean und heftete das letzte Formular ab. „Richtig, Gott sei dank!“ Julia schaltete ihren Computer aus. „Was hältst du von einem Bier bei Pete´s?“ „Gute Idee, ich lad dich ein“, stimmte Sean sofort zu und reichte Julia ihre Jacke.
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„Was macht er denn hier?“ Abrupt blieb Sean stehen, als er Eric im „Petes“ an der Theke sitzen sah. „Nun komm schon Sean, mir zuliebe!“, Julia hasste es, diese Karte auszuspielen, doch eine andere Möglichkeit sah sie beim besten Willen nicht. "So geht das Ganze nicht weiter." Sean sah Julia böse an. „Wenn er rüberkommt, bin ich weg“, informierte er sie und steuerte zielstrebig einen Tisch in der Ecke – möglichst weit weg von Eric – an. Julia bedeutete Eric mit einer Handbewegung noch sitzen zu bleiben und folgte Sean.
Am Tisch war es, als wäre Sean wie ausgewechselt. Er scherzte und lachte mit Julia, sodass man meinen könnte, es wäre nie etwas vorgefallen, was seine Laune trüben könnte. Doch Julia wusste es besser. Sie kannte ihren Partner inzwischen gut genug, um zu wissen, dass Sean ein Schauspiel abzog. Eine Show, um Eric zu zeigen, wie gut es ihm doch ging und wie wenig er ihn, oder seine Erklärungen, brauchte.
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Eric saß an der Bar und fragte sich gerade zum hundertsten Male, warum er dieses peinliche Spiel mitspielte. „Weil Sean dein bester Freund ist“, gab er sich sogleich selbst die Antwort und nahm einen weiteren kräftigen Schluck von seinem Bier. Er beobachtete Julia und Sean aus dem Augenwinkel heraus und kam dabei zu zwei Schlussfolgerungen:
Nummer Eins – Julia war eine wirklich attraktive Frau. Nummer Zwei – Sean verhielt sich wie ein Idiot!
Dem Ganzen würde er hier und jetzt ein Ende setzen, er würde Sean zwingen ihm zuzuhören. Wenn er ihn danach weiter ignorieren wollte – fein, aber zuhören würde er! Mit entschlossener Miene rutschte er von seinem Barhocker , nahm sein Bier und steuerte zielgerecht auf Sean zu.
***
Sean nahm eine Bewegung an der Bar wahr. Er brauchte den Kopf nicht anzuheben, um zu wissen, dass Eric auf dem Weg zu ihnen war.
Er hatte sich schon gefragt, wie lange Eric warten würde, ehe er wieder einmal versuchen würde, ihm alles zu erklären. Warum begriff er nicht, dass es nichts zu erklären gab? Er hatte seinen Tod vorgetäuscht ohne ihn – seinen doch angeblich besten Freund – einzuweihen. Und während Sean monatelang Qualen durchlitt und darüber hinaus auch noch mit dem peinlichen Geist seines "toten" Freundes konfrontiert wurde, gab dieser irgendwo einen Undercover Agenten ab.
Sean presste die Zähne so fest aufeinander, dass ihm der Unterkiefer schmerzte. Noch ein Meter, dann würde Eric hier am Tisch stehen.
Julia, die Seans Anspannung bemerkte, legte ihre Hand auf seinen Unterarm. "Sean, gib ihm eine Chance..."
Das war zuviel für Sean. Mit einer heftigen Bewegung riss er sich los und sprang auf. Eric würdigte er keines Blickes, Julia bedachte er mit einem enttäuschten Blick. Dann stürmte er durch die schummrige Bar zum Hinterausgang.
Die kühle Nachtluft war wie ein Schlag ins Gesicht, dennoch sog er die Luft gierig in seine Lungen. Er hatte das Gefühl zu ersticken, wäre er auch nur einen Moment länger geblieben.
Die Tür klappte auf.
„Geh einfach, ich will es nicht hören“, Sean musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer ihm gefolgt war.
„Du wirst mir jetzt zuhören, ich spiele das Ganze schon viel zu lange mit!“ In Eric`s Stimme schwang Wut und Frustration.
„Vergiss es!“, Sean wollte an Eric vorbei, wieder nach drinnen, doch dieser wich keinen Millimeter zur Seite. Ohne darüber nachzudenken, streckte dieser die Hand nach Sean aus und berührte ihn an der Schulter. Sean jedoch reagierte anders als erwartet. Er holte aus und schlug Eric gezielt mit einem Fausthieb auf dessen Nase.
Eric griff sich ins`s Gesicht und starrte Sean einen Augenblick entgeistert an, ehe er ausholte und den Schlag erwiderte. Das Resultat war ein taumelnder Sean, der sich kurz sammelte, um erneut auszuholen.
Binnen kürzester Zeit hatten sich die beiden Männer am Kragen. Sie schoben sich förmlich wie zwei Boxer durch den Ring. Würde einer loslassen, wäre das Risiko für jeden gleich groß, umgehend den nächsten Schlag zu riskieren.
"Verdammt Sean!! Du weißt, ich hätte alles getan, um es dir irgendwie sagen zu können! Du kennst die Regeln!" ,keuchte Eric.
""Wieso hattest du dich überhaupt darauf eingelassen?!", gab dieser atemlos zurück und presste Eric gegen die Aussenfassade des Pub´s.
Eric ließ Sean los, hielt die Arme weg und zeigte Sean abwehrend seine Handinnenflächen.
"Weil ich keine andere Wahl hatte! Es war ein Befehl von oben und kein Wunschkonzert."
Sean ließ Eric los. Dieser zog sein Hemd zurecht. Ratlosigkeit machte sich auf den Gesichtern der Männer breit.
Auf einmal holte Sean aus und Eric kassierte eine schallende Ohrfeige.
Überrascht sah Eric Sean an.
"Was war denn das?"
"Ich hab keine Lust, dir die Nase zu brechen, oder die Zähne auszuschlagen. Aber das war meine Antwort auf die ganze Schei*e der letzten Monate. Und verdammt, du hättest es doch verdient, wenn ich dir ein paar Zähne ausschlage!"
"Und dafür gibst du mir ne Ohrfeige wie ein Mädchen?" entfuhr es Eric immer noch sichtlich überrascht. Er wusste nicht, ob er lachen, oder sauer sein sollte.
"Wenn das ne Aufforderung sein soll....." Sean ballte erneut die Faust und hob sie in die Höhe. In diesem Augenblick klingelte ein Handy.
"Warte kurz und halte inne....", entgegnete Eric fast schon amüsiert, was Sean dazu veranlasste, seine peinliche Haltung sofort zu lösen.
„Stevens“, meldete er sich abgehackt, lauschte dem Anrufer und legte dann auf.
„Was ist los?“, wollte Sean wissen, Eric war kreidebleich im Gesicht.
„Morris…….er liegt im Krankenhaus. Er hatte einen Herzinfarkt.“
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Leseauszug aus S2E03 - A Hard Days Night :
„Du bist also damit einverstanden?“, fragte er kurz und knapp. „Für’s Erste schon. Es sei denn natürlich, dass Eric den Job nicht vernünftig erledigt.“ „Aha“, machte Sean monoton. Julia war verunsichert. „Bist du jetzt sauer auf mich?“, fragte sie vorsichtig. „Sauer? Wieso? Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung“, gab ihr Partner so neutral wie möglich zurück. „Du bist sauer“, stellte Julia sachlich fest und trank einen Schluck von dem Milchkaffee, der vor ihr stand. „Nein“, behauptete Sean, lehnte sich in seinen Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor seiner Brust.
Nightshadow Junges Fohlen
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Guten Abend, es war wieder ein sehr schöner Teil Mit der kleinen Schlägerei haben Erik und Sean sich etwas "ausgesprochen". Interessant wird die Entwicklung zwischen den beiden trotzdem noch in Hinblick auf Julia. Bin mal gespannt was du dir dazu noch ausdenkst Ich freue mich schon auf den nächsten Teil, der Anfang klingt wieder vielfersprechend.