1.Wenn es einen Grund gab zu sterben, dann war dieser doch ein guter, oder? Wenn man alles verloren hatte, dann gab es doch keinen Grund weiter zu leben, oder etwa doch? Ich saß vor unserem Haus, beziehungsweise dem was davon übrig war. Ein Trümmerhaufen, mehr nicht. Der erste Schnee viel und vermischte sich mit der Asche. Das warme Blut floss über meinen Arm, die Wunde selber brannte. Die Entscheidung diesen Schritt zu gehen, bereute ich nicht, wie sollte ich diesen Winter überleben? Ohne ein zu Hause, mitten in den Wirren des zweiten Weltkrieges. Es sollte einfach nur noch zu Ende sein, der Krieg hatte mir alles genommen, was mir etwas bedeutete. Die Angst war ein ständiger Begleiter während dieser Zeit gewesen. Der Schnee unter mir färbte sich langsam rot, das Schneetreiben wurde stärker und ich merkte es, das Ende war da. Mein Atem wurde ruhiger, der stechende Schmerz in meinem Arm wurde weniger und das Gefühl des warmen Blutes auf meiner kalten Haut verschwand.
Aber es kam kein Ende. Es kam ein neuer Anfang. Als ich die Augen öffnete lag ich nicht mehr vor den Trümmern unseres Hauses, sondern in einem Raum. Der Boden war aus weißem Stein, die Wände waren ebenfalls weiß. Es gab keine Möbel, keine Fenster, trotzdem war es hell. Ich setzte mich auf und schaute auf meinen rechten Arm. Kein Blut, keine Wunde, nichts.
„Verwirrt?“, die Stimme kam von der anderen Seite des Raumes, „Ich bin Zac.“ Auf Zac's Lippen lag ein Lächeln, seine blauen Augen leuchteten.
„Ja, natürlich. Ich meine, wäre ich nicht Tod? Und wo bin ich, bitteschön?“, Zac setzte sich vor mich hin und strich sich durch die braunen Haare.
„Also, eigentlich bist du Tod, aber halt nicht ganz. Machen wir es kurz: Du bist im Himmel und hast nun die Aufgabe als Schutzengel zu arbeiten. Wehe du fragst jetzt, wieso ich, das weiß ich selber nicht... würde mich aber mal interessierten“
„Was? Wieso ausgerechnet ich? Und wer bist du?“, ich im Himmel. Ja klar. Ich hatte mich schon des öfteren gefragt was denn nach dem Tod kommt, aber ich hätte nie gedacht, dass man nach dem Tod als Schutzengel arbeiten muss.
„Ich hab doch gesagt du sollst nicht fragen, wieso ausgerechnet du hier bist“, Zac verdrehte die Augen, „Ich bin dein Boss und sorge dafür, dass du mit deinem Paten nicht überfordert bist und solche Sachen, was man als Chef halt so macht. Ich wurde 1901 geboren und bin 1920 an einer Lungenentzündung gestorben. Direkt nach meinem Tod, im Gegensatz zu dir, wurde ich Schutzengel. Mittlerweile wurde ich befördert. Noch Fragen zu meiner Person?“
„Ähm, nein ich glaube nicht. Aber..“
„Nein ich habe keine plüschigen Flügel, dafür bin ich nicht exklusiv genug. Über mir stehen auch noch welche, die haben welche. Ich würde auch gerne we...“
„Stopp!“, unterbrach ich Zac, der einfach fröhlich drauflos geredet hatte, „Das war gar nicht meine Frage. Du hast gesagt, du musstest nicht auf deinen Paten warten, ich schon. Wie lange muss ich denn warten?“
„Oh.. tut mir Leid. Tja Chris, ich weiß nicht wie lange du warten musst. Solange werden wir beide uns hier oben vergnügen und uns alles angucken. Außerdem musst du noch alles lernen, glaub mir es ist verdammt viel was du lernen musst. Aber als erstes, solltest du dir die Regeln durchlesen.“
Zac drückte mir ein Blatt Papier in die Hand.
„Das ist ja nicht viel“, stellte ich fest.
„Schlauer Junge, natürlich nicht, aber brichst du eine Regel, dauert es noch länger bis du plüschige Flügelchen bekommst“, grinste Zac mich an. Ich war jetzt schon genervt von ihm, auch wenn er ja eigentlich ganz nett war.
Regeln & Wichtiges
1.Niemand darf erfahren wer du bist und was dein Auftrag ist
2.Als Schutzengel musst du dafür sorgen, dass sich dein Pate nicht allzu oft verletzt
3.Verliebe dich niemals in deinen Paten!
4.Als Schutzengel bist du unsterblich und altest nie wieder
5.Stirbt dein Pate, wirst du entweder befördert (und bildest Schutzengel aus) oder bekommst einen neuen Paten
Flügel gibt es erst wenn du einen Schutzengel ausgebildet hast, der sich an die Regeln hält
„Also mein Freund, halt dich immer schön an die Regeln! Ich will Flügel haben“
„Was ist bitte so besonders an Flügeln. Also ich möchte keine haben...“, Zac nahm mir den Zettel aus der Hand und guckte mich böse an.
„Was ist so schlecht an großen weißen plüschigen Flügeln? ... Naja irgendwie... sieht bestimmt nicht gut aus. Aber es ist was besonderes, denn die meisten Schutzengel brechen die 3. Regel. Und ich sags dir nochmal: Halt dich an die Regeln.“, Zac steckte die Regeln wieder ein, „Wir sollten mit dem Unterricht anfangen...“
2.2.
60 Jahre. 60 lange Jahre waren nun vergangen und ich lebte immer noch 'oben'. Es gab immer noch niemanden, der mein Pate werden sollte. Mittlerweile konnte ich alles, was man als Schutzengel können muss und langweilte mich. Aus dem Raum kamen wir nie. Aber von hier oben konnte man alles sehen, wirklich alles. Und so kam es auch, dass ich alles mitbekommen hatte.
„Guck dir das mal an, Chris“, grinste Zac.
„Du bist echt pervers, weißt du das?“
„Hier oben ist es langweilig... irgendwie muss man sich ja beschäftigen. Guck mal!“
„Zac, ich will mir das echt nicht angucken, das ist wirklich nicht in Ordnung, fremden Leute beim...“
„Nein! Du hast endlich einen Paten“, unterbrach Zac mich.
„Was? Das passiert auch noch mal?“ endlich hier rauskommen, endlich das richtige Leben wieder fühlen. Ich wusste von Zac, dass man ganz normal weiter lebte. Für mich hieß es, dass ich zur Schule gehen musste.
„Ja anscheinend... also mein Freund, wir haben nicht mehr 1947, sondern 2009, benimm dich dementsprechend. Und bitte halte dich an die Regeln. Ich will endlich Flügel!“
„Kommst du nicht mit?“
„Doch, aber ich bin nicht immer dabei. Zumindest wirst du es nicht immer wissen, denn ich kann was was du nicht kannst. Ich kann mich unsichbar machen und duuu nicht. Außerdem musst du bei einem volljährigen leben, und wir sagen jetzt einfach mal, dass ich dein großer Bruder bin und unsere Eltern gestorben sind.“
Natürlich, Zac und ich Brüder. Ich hatte dunkelbraune Augen, er blaue, meine Haare waren schwarz und seine braun. Abgesehen von dem Äußeren waren wir auch vom Charakter unterschiedlich wie Tag und Nacht. Ich bin eher verschlossen und launisch, er ist immer gut drauf, offen und zu jedem freundlich.
„Du und ich? Brüder? Klar.“
„Mit etwas Fantasie ist alles möglich... sieh nicht immer alles so negativ und komm endlich mit. Du warst doch die ganze Zeit am meckern, dass es hier oben langweilig ist und jetzt kommst du nicht“, Zac verdrehte die Augen und um mich herum wurde es schwarz.