Hallo, hier Kapitel 2:
2.KapitelAm nächsten Morgen wurde Maleen von ihrer Mutter geweckt.
„Guten Morgen!“, rief diese beschwingt und zog dem verschlafenen Mädchen die Bettdecke weg.
„Steh auf, es gibt gleich Frühstück!“, meinte sie noch, bevor sie schon wieder aus dem Zimmer verschwunden war. Verblüfft schaute Maleen ihrer Mutter nach. Sie wurde sonst nie geweckt, schon gar nicht so freundlich. Neugierig
schlüpfte sie aus dem Bett und tapste ins Bad.
Beim Frühstück zeigte sich, dass auch Herr Sieber in ungewöhnlich guter Stimmung war. Den Streit vom letzten Abend schien er bereits vergessen zu haben.
Verwirrt strich Maleen sich den Pony aus der Stirn und setzte sich an den Tisch. Ihre Mutter lächelte sie freundlich an und Maleen wurde langsam misstrauisch. „Was seid ihr denn alle so gut drauf?“, fragte sie vorsichtig und gab damit das Stichwort, auf das alle gewartet hatten.
„Stell dir vor, Matthias hat angerufen!“, platzte es aus Rahel Sieber hervor. Matthias war ein Freund der Familie und organisierte einige großen Turniere in der Umgebung. „Er meinte, dass sich ein Vertreter einer riesigen Firma für Sportkleidung für das Turnier in Wageburg angekündigt hat! Die suchen talentierte Nachwuchsreiter für ihr Sponsor-Programm.“, rief sie und ihre Augen strahlten mädchenhaft.
Fast war Maleen etwas enttäuscht. Sponsoren, so etwas gab es auf vielen großen Turnieren. Außerdem musste sie erst mal gewinnen und das alles, um ein bisschen mehr Geld für Turnierkleidung zu haben?
Ihr Vater verdiente doch nicht gerade wenig, so etwas war also eigentlich nicht nötig.
Als sie das vorsichtig sagte, schaute ihr Trainer sie entrüstet an.
„Na hör mal! Natürlich kann ich das Geld irgendwie aufbringen, das heißt aber doch nicht, dass wir nicht froh über eine finanzielle Stütze wären! Es ist ja nicht so, als würde nur dein Sport Geld kosten denk doch auch mal an das Gestüt! Der Unterhalt für die vielen Pferde, die Löhne für die Angestellten, die Wartung der Gebäude... da kommt einiges zusammen! Außerdem ist der Pferdebus noch nicht abbezahlt!“
Maleen bereute, damit angefangen zu haben, denn ihr Vater schaute sie schon wieder wütend an. Hilfesuchend blickte sie zu ihrer Mutter, aber die schien das Gespräch kaum mitbekommen zu haben. „Final Sportswear ist für seine hohen Sponsorbeträge bekannt. Angeblich haben sie einem Schwimmer sogar ein Jahr Aufenthalt an einem Elite-Sportinternat finanziert!“, meinte die junge Frau und schaute ihre Tochter an, als habe sie selber das Geld zur Verfügung gestellt.
Maleen wollte nicht nachgeben und sagte bockig: „Ich will aber in kein Internat.“
Ihr Vater funkelte sie böse an und zischte: „Davon hat auch niemand geredet, das war eine einmalige Sache.“. Etwas ruhiger fuhr er fort:
„Jedenfalls bist du ja sowieso bei dem Turnier gemeldet und du hast Chancen. Ja, die Konkurrenz ist groß, aber denk an das Pferd mit dem du startest. Hopeful soll ja verkauft werden, weil er gerade jetzt den Höhepunkt seines Könnens erreicht hat. Er ist verdammt viel wert und schwer zu schlagen. Falls du in das Programm aufgenommen wirst können wir ihn außerdem noch teurer verkaufen.
Matthias meinte, wir dürften ausnahmsweise deine Starts noch einmal ändern, es geht schließlich um eine große Sache. S musst du zum Glück nicht reiten, dass wird in Wageburg nicht für Jugendliche angeboten, aber du musst auf jeden Fall noch eine M-Dressur zum Springen dazu nehmen. Hm, ich denke so kommt es hin. Jetzt musst du nur noch gut abschneiden, Matthias hat gesagt, es ginge noch nicht einmal ums Gewinnen.
Angeblich wird jemand geschickt, der sich sehr gut auskennt und der einen Blick dafür hat, wie viel man noch aus dem Reiter machen kann.“.
Nun fiel es Maleen schwer, sich nicht wenigstens ein bisschen zu freuen. Das war wirklich eine große Chance und auch, wenn sie lieber mit Larina in einer kleinen Prüfung gestartet wäre, leuchtete ihr ein, dass sie in diesem Fall nachgeben musste. „Okay“, sagte sie also schlicht und ihr Vater unterdrückte ein Lächeln. Er hatte auch nicht erwartet, dass sie so eine Chance vertun würde.
Neuer Teil!Nach dem Frühstück verschwand Lucas Sieber in seinem Büro und Maleen nutzte die Zeit, um nach Larina zu sehen.
Halb erwartete sie, dass die Stute sie wieder kaum beachten würde und so war sie um so erfreuter, als Larina beim Klang ihrer Stimme die Ohren spitzte und fröhlich an den Koppelzaun kam. Maleen lächelte liebevoll und schlüpfte durch den Holzzaun zu ihrem Liebling.
Nachdem die beiden ein wenig geschmust hatten, halfterte das Mädchen Larina auf und konnte der Versuchung, sich Mithilfe des Koppelzauns auf ihren Rücken zu schwingen, nicht wiederstehen.
So ritt sie ein paar Runden um die Koppel und trabte wenig später sogar an. Der am Halfter befestigte Führstrick war ihr eher eine Last als eine Hilfe, aber den Mut ihn zu lösen hatte sie einfach nicht.
Und um ihn zu Zügeln zu legen und das lose Ende auch am Halfter zu befestigen, war der Strick zu kurz.
Wenigstens kannte die hübsche Stute ihre junge Reiterin gut genug, um sich nur mit Gewicht und Schenkeln von ihr führen zu lassen.
Glücklich trieb Maleen Larina in einen weichen Kanter und versuchte nicht daran zu denken, dass die Stute sich verletzen konnte, wenn sie in ein kleines Loch trat oder über eine Wurzel stolperte.
Am liebsten wäre das Mädchen über den Zaun gesprungen und über die Nachbarfelder galoppiert, aber wenigstens hier siegte ihre Vernunft. Seufzend parierte Maleen durch und ließ Larina noch ein wenig Schritt gehen. Sie schlang ihre Arme um den Hals des silberfarbenen Pferdes und genoss das leichte Schaukeln.
Fast bereute sie ihren kleinen Ritt, ihr Vater würde gewiss fragen, wo sie solange gewesen war und anlügen wollte sie ihn nicht. Wenn sie aber zugab, bei der Stute gewesen zu sein, würde ihr Vater ihr gewiss nicht erlauben sie abends noch mal zu besuchen und dann auch „richtig“ zu Reiten. Hätte sie Larina sofort fertig gemacht und wäre mit ihr auf den
Springplatz gegangen, hätte Lucas Sieber sicher nichts dagegen gehabt, dass sie die Stute noch eine Weile arbeitete.
Maleen seufzte noch einmal, ließ das Pferd anhalten und stieg ab. Dann gab ihrem Liebling noch einen Kuss auf die weichen Nüstern, belohnte sie mit einem Apfelschnitz und befreite sie von ihrem Zaum.
Die Stute verstand und ging gemächlich auf die anderen Pferde zu, die die ganze Zeit desinteressiert in der Mitte der Weide gestanden und gedöst hatten.
Maleen schlenderte wieder zum Zaun und tauchte zwischen den beiden großen Brettern hindurch nach draußen.
Bis zum Gestüt versuchte sie möglichst langsam zu gehen, sie hatte heute einfach keine Lust zu trainieren. Viel lieber würde sie gemütlich durch den Wald reiten, es musste ja nicht mal mit Larina sein.
Aber das Mädchen kannte seinen Vater gut genug, um seine Antwort voraussehen zu können, wenn dann würde er sie auf der Geländestrecke trainieren lassen, aber auch das käme so kurz vor dem Turnier in Wageburg nicht in Frage.
Als sie auf dem Hof des Gestüts ankam, wurde sie von einem der Bereiter angesprochen. „Maleen, dein Vater hat eben nach dir gesucht. Du sollst in sein Büro kommen, er möchte irgendwelche Pläne mit dir durchgehen.“, meinte der junge Mann freundlich. Maleen zwang sich zu einem Lächeln und entgegnete ein halbwegs echt klingendes „Danke, Jan!“, bevor sie sich noch langsamer als zuvor auf den Weg ins Büro machte.
Neuer Teil!!Als Maleen die unscheinbare Tür des Büros, das sich im Stutenstall befand, öffnete, schaute ihr Vater kurz auf. Er ging weder darauf ein, dass sie so lange weggewesen war, noch darauf, dass sie mal wieder auf das Anklopfen verzichtet hatte.
„Ah Maleen.“, meinte er stattdessen und lächelte sogar ein wenig.
„Schau mal, ich habe dir einen Trainingsplan für die Zeit vor dem Turnier gemacht!“.
Maleen ging um den Schreibtisch herum zu ihrem Vater, der einen großen, vollbeschriebenen Bogen Papier in die Hand genommen hatte.
Sichtlich stolz betrachtete er den Plan. „Nach dieser Woche wirst du in Topform sein! Und Hopeful ist es ja schon. Euch beiden steht nichts im Weg!“. Maleen starrte verblüfft auf das Blatt Papier. „Ich weiß nicht, ob ich an einem Turnier teilnehmen kann, wenn ich schon vorher zusammenbreche!“, murmelte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Ihr Vater tat das mit einer wegwerfenden Handbewegung ab und meinte: „Ach Quatsch, ein bisschen Training hat noch keinem geschadet und du bist es doch gewohnt.“
Maleen stieß ein spitzes Lachen aus, das er wie ein Schrei klang. „Ein bisschen Training? Du hast mich vollkommen verplant! Es wundert mich, dass du überhaupt Pausen zum Essen und Schlafen miteingerechnet hast!“
Ihr Vater wurde wütend. Er hatte erwartet, dass Maleen sich freuen würde und nun machte sie ihm Vorwürfe!
„Tz, verplant! Was hast du denn erwartet? Bis zum Turnier ist nur noch eine gute Woche Zeit, meine Liebe, dachtest du, dann kannst du noch faulenzen? Wolltest du dir ein paar schöne Tage im Freibad machen? Maleen, ich glaube du hast nicht verstanden worum es geht!“, schimpfte er. Seine Tochter biss sich auf die Lippen und zwang sich, nicht wütend zurückzuschreien. Sie wusste, dass sie damit alles nur noch schlimmer machen würde.
„Papa, ich meine doch nur... ich kann doch nicht von morgens früh bis abends spät nur trainieren. Das schaff´ ich nicht. Außerdem hast du nicht einmal Putzen, Satteln und so weiter einberechnet.“, meinte sie so gefasst wie möglich. „Überhaupt, was ist mit Larina?“, fügte sie traurig hinzu.
Lucas Sieber verdrehte die Augen. „Die wird jawohl mal ein paar Tage ohne dich auskommen. Es ist ein Pferd, Mädchen! Putzen und Satteln muss eben ein Stallhelfer übernehmen. Dafür werden die schließlich bezahlt. Und ausruhen kannst du dich doch beim warm- und trockenreiten.“.
Er sah seine Tochter bittend an. Maleen schloss kurz die Augen und strich sich müde ein paar Strähnen aus dem Gesicht.
Was hatte es noch für einen Zweck zu diskutieren? Die Würfel waren gefallen, sie wusste, dass ihr Vater seinen Willen durchsetzen würde.
Ihr Wiederstand bröckelte vor sich hin. Überhaupt, was war schon eine Woche?
Ihr Trainer hatte ihr für jede Einheit von 1 ½ Stunden ein anderes Pferd zugeteilt, trocken- und warmreiten machten also um die 20 Minuten Pause zwischen zwei Trainingsblöcken. Na ja, obwohl es natürlich keine richtige Pause war, sie musste das Pferd ja von Anfang an arbeiten, auch wenn sie es nur am langen Zügel Schritt gehen ließ.
Aber am meisten machte ihr die Sache mit Larina zu schaffen, also startete sie einen letzten Überzeugungsversuch:
„Wenn ich Abends wenigstens noch zu Rina könnte! Ich muss mich doch auch mal entspannen können, sonst bin ich am Turniertag völlig erschöpft. Bitte Papa!“
Ihr Vater kaute unwillig auf seiner Unterlippe herum.
Einerseits wollte er nicht nachgeben, andererseits hatte Maleen Recht.
Was nützte das viele Training, wenn sie beim Turnier keine Kraft mehr hatte? Er grub seine Zähne weiter in die weiche Haut und schmeckte das salzige Blut, dass aus seiner Lippe auf seine Zunge rann. Trotzdem kaute er weiter.
Der Trainer wollte, dass Maleen bis zum großen Tag noch so viel wie möglich lernte. Aber Larina konnte durchaus ein guter Ausgleich sein, also doch nachgeben ? Er brummte leise und Maleen schaute erwartungsvoll auf. „Ich werde den Plan nochmal überarbeiten. Nach dem Mittagessen geht´s dann los.“, meinte Herr Sieber schließlich und bedeutete seiner Tochter den Raum zu verlassen. Die seufzte leise und ging mit hängendem Kopf nach draußen. Kaum war die Tür hin ihr ins Schloss gefallen, atmete ihr Vater tief durch, raufte sich die Haare und wischte sich über die schmerzenden Lippen. Er wusste ganz genau, was er nun machen würde, aber die Vorstellung daran gefiel ihm ganz und gar nicht.
Er ist das Blut, Polly muss ich noch tippen.
LG, caramell