Tod meiner Schwester

Nun liegst du hier und ich halte deine kleine zerbrechliche Hand. Eine Träne läuft über meine Wangen, während deine Augen den Kampf gegen die Müdigkeit verlieren. Dein kleines Herz schlägt immer langsamer und dein Atem wird mit jedem Heben deines Brustkorbes schwächer. Ich kann es kaum ertragen, dich so zu sehen, meine Kleine. Der Tumor in deinem Hirn ist zu groß, aber du bist lange stark gewesen. Auch wenn dein Leben nur kurz war, hast du jeden Augenblick, trotz dem Wissen dass du bald sterben wirst, genossen. Ich dachte, dein Leben würde lang und erfüllt werden, doch jener Schicksalsschlag hat dein Leben zu einer Bewährung auf Zeit anlaufen lassen.
Ich wünschte mir, ich könne noch einmal dein glockenklares Lachen am Abend hören, wenn du mit unseren Hund im Garten herum tollst. Ich wünschte, ich könne noch einmal dein Spiel auf dem Klavier hören, doch ohne deine kleinen Finger auf den Tasten scheint alles so leer, so trostlos.
Seit ich von deiner Krankheit wusste, hatte ich Angst vor diesem Tag. Habe gehofft er würde nie kommen, doch ich wusste genauso wie du, dass der Tod für dich nur eine Frage der Zeit war. Jeder dachte du würdest dich zurückziehen, würdest kein Wort mehr reden, doch stattdessen verbrachtest du jeden Tag so, als wäre es dein letzter. Du spieltest mit den Nachbarkindern im Garten, beobachtest die Tiere in der Natur und berührtest mit deinen Liedern auf dem Klavier. Diese Klavierspiele waren deine Art dich auszudrücken, nachdem der Tumor soweit voran geschritten war, dass du nicht mehr sprechen konntest. Der Flügel im Wohnzimmer war dein Kommunikationsmittel. Jeden Tag sahst du mehrere Stunden an dem Instrument und spieltest traurige oder fröhliche Lieder, je nachdem wie deine Stimmung war. Manchmal habe ich dazu gesungen und wir beide bemerkten gar nicht, wie uns die Nachbarn auf ihren Terrassen zuhörten.
Die letzen Wochen vor deinem Tod, verstanden wir uns ohne Worte, schienen uns nur mit der Kraft unserer Gedanken zu unterhalten. Einen Blick von dir und ich wusste was du meintest. Wir lachten oft, ohne dass die anderen wussten warum und weinten stumm zusammen, weil wir wussten, dass uns nur noch wenige Tage blieben. Bis zur letzten Woche bliebst du stark und ließt dir nichts anmerken, doch vor drei tagen brachst du einfach zusammen und bliebst liegen.
Ich fand es fürchterlich dich so zu sehen, doch ich blieb bei dir, aus Angst du wärst von mir enttäuscht wenn ich einfach gehen würde.
Nun lagst du hier. Deine Haare hatten ihren Glanz verloren, deine Haut jegliche Bräune. Mit jedem Tag, wurdest du dünner und schwächer und nun war der Zeitpunkt gekommen Abschied zu nehmen.
Ich spüre wie deine Hand langsam jegliche Anspannung verliert und deine Augen schließen sich. Dein Herz setzt immer wieder aus und du hörst auf zu atmen. Ein letztes Mal solltest du noch einmal meine Stimme hören, die flüstert: „Ich liebe dich!“