Thema: Haiti...eine trübsinnige Geschichte Di Jan 26, 2010 5:18 am
Vielschreiber kennen es vielleicht. Manchmal muss man sich etwas von der Seele schreiben. Hier ist eine kleine Geschichte. Sie ist kurz für meine Verhältnisse:
Spoiler:
Haiti Ich laufe durch die Hitze, irre durch die Straßen ohne Ziel. Der geborstene Teer brennt unter meinen Füßen, ich spüre, wie sich kleine Stücke, von Häusern abgesprungen, in meine nackten Füße bohren. Die Leute kommen mir entgegen und ich versuche, jemanden vertrautes zu erkennen, aber die Gesichter sind mir fremd. Ächzend schleppen sie sich am Straßenrand entlang, ihre schwarzen Körper verdreckt, ihre Gesichter verkrustet von der Mischung aus Staub und salzigen Tränen. Sie würdigen mich keines Blickes, tragen ihr Hab und Gut in Säcken und Körben, alles, was ihnen geblieben ist. Mir ist nichts geblieben. Ich irre durch eine Stadt, die keine Stadt mehr ist. Nichts erkenne ich mehr wieder, alles liegt in Schutt und Asche. Ich versuche, meine Augen zu schließen, nicht das zu sehen, was da am Straßenrand liegt, aber es gelingt nicht. Es sind nicht nur Kadaver, die da liegen, es ist die Angst. Die Angst, dass es auch einer von uns sein könnte. Ich laufe schneller, renne durch die Straßen, wende meinen Blick von den Leuten ab. Sie stützen sich auf einander, weinen, schreien, aber sie können sich auf den anderen stützen und wissen, dass er da ist. Ich habe niemanden mehr. Blind laufe ich, passiere die Häuser meiner Heimatstadt. Ich weiß nicht, wo ich bin, erkenne nichts mehr wieder, aber es ist egal. Es sieht überall gleich aus, überall liegen die Toten. Tränen sprießen mir in die Augen, ich kann sie nicht zurückhalten, sie verschleiern mir die Sicht. Ich stolpere, falle mit dem Kopf voran ins staubige Gras, fühle, wie die kühlen Halme an meiner Stirn entlang streichen. Da liege ich, meine Finger verkrampfen sich in die Erde, dankbar dafür, irgendetwas umkrallen zu dürfen. Und da bricht es aus mir heraus, ganz gleich was die Leute denken, ich heule und weine und schreie. Um wen weine ich? Es gibt so viele. Um Mireille vielleicht. Mireille. Sie ist die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Ihre dunklen Haare umwallten ihr zartes Kinn, ihre schmalen Schultern, und wenn sie in der Tür stand, hinter ihr die blendende Sonne, dann erschien sie mir wie ein Engel. Wenn ich die Augen schließe, kann ich sie vor mir sehen, ihre pechschwarzen, funkelnden Augen, ihr zauberhaftes Lächeln. Ich habe Mireille abgöttisch geliebt. Wer liebt seine Mutter nicht. Während ich daliege, im Gras, allein, senkt sich die Dunkelheit über die zertrümmerte Stadt. Ich drehe mich auf den Rücken und schlage die Augen auf. Über mir funkelt der Sternenhimmel. Die Kühle der Nacht kriecht an meine Haut, lässt die Tränen langsam versieben. Normalerweise würde ich spätestens jetzt nach Hause gehen. Aber Zuhause gibt es nicht mehr. Ich bin allein. Ich bin hier aufgewachsen. Ich habe stets ein Messer an meinem Gürtel getragen, für den Notfall, und manchmal bin ich ans Meer gegangen, um nach brauchbaren Abfällen zu suchen. Ich habe in den Slums gewohnt, habe mich verteidigen müssen gegen Gier und Gewalt, habe die Angst verdrängen müssen. Und obwohl ich weder lesen noch schreiben kann, war mein Leben in Ordnung. O.K. Ich bin mit allem fertig geworden. Aber Einsamkeit ist schlimmer als alles andere. Wie eine Welle bricht es auf mich herein: Ich bin ganz allein auf der Welt. Keiner ist mehr übrig. Keiner den ich kenne. Alles ist zertrümmert. Und wer weiß, vielleicht fängt die Erde gleich wieder an zu beben. Ich kann also genauso gut hier liegen bleiben. Einfach so. Ich rolle mich zusammen und presse meine Wange aufs Gras. Die Tränen tropfen wieder. Langsam schluchze ich mich in den Schlaf. Vielleicht ist morgen ein besserer Tag.
Es sind einfach meine Vorstellung davon, wie es dort ist oder vor ein paar Tagen war, kurz nach dem Beben.
Filly Junges Fohlen
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Thema: Re: Haiti...eine trübsinnige Geschichte Di Jan 26, 2010 5:23 am
Traurig, einfach nur traurig . Wir haben schon 10 € nach Haiti gespendet und hoffen, dass es ein wenig hilft.
Thema: Re: Haiti...eine trübsinnige Geschichte Di Jan 26, 2010 6:23 am
Unsere Schule sammelt bei uns Spenden, wir hoffen, dass wir ein paar Geschäftsinhaber dazu bringen, was zu spenden... ich muss zugeben, ich bin schon stolz darauf, in der SV zu sitzen, die die ganze Aktion angeleiert hat. Hoffentlich hilft es. Es gibt zwar auch hier genug Elend, aber die Menschen dort haben garnichts mehr und das ist ein ganzes Land.
Thema: Re: Haiti...eine trübsinnige Geschichte Di Jan 26, 2010 6:31 am
So was war letzte Woche an meiner Schule auch. Das wurde ursprünglich gestartet, weil unsere Politiklehrerin keine Ahnung hatte, was sie mit uns in der Schulstunde machen sollten, also haben wir so was organisiert. Auf jeden Fall standen dann immer ein paar Leute in der Pause in der Eingangshalle und haben Kuchen verkauft und Spenden gesammelt. Wurde auch ordentlich was eingenommen, das hilft wenigstens ein paar Leuten.
Zur Geschichte: Wirklich gut erzählt. Die Situation der Leute in Haiti kommt, finde ich, sehr gut rüber.
Thema: Re: Haiti...eine trübsinnige Geschichte Di Jan 26, 2010 6:33 am
Hmmm... wir wollen auch was spenden, haben aber ehrlich gesagt noch keinen richtigen Plan. Vielleicht ein Patenkind über Plan oder so... Meine Mutter hatte auch noch die Idee mit einem Flohmarkt und/oder einem Spendenlauf, aber die muss ich erst mal in meiner Klasse durchsetzen. Viel Glück jedenfalls, Negro... Diese Ereignisse sind so unfassbar, selbst die richtig Armen aus Europa können sich wohl nicht vorstellen, wie es jetzt den Leuten in Haiti geht, geschweige denn Durchschnittsbürger und obere Mittelschicht...
Tic Neues Mitglied
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Thema: Re: Haiti...eine trübsinnige Geschichte Di Jan 26, 2010 9:46 am
die geschichte ist traurig, aber sehr gut geschrieben. du hast die verzweiflung rübergebracht...
ich find es einfach nicht gerecht, dass es das wohl sonst schon fast ärmste Land so heftig treffen musste. Aber, eigentlich wünscht man dieses Leid nicht mal dem reichsten Land...
als der Tsunami war, da war eine riesige Flut an Medien, jeden Tag war es das Thema der Titelseite. Bei diesem Beben, welches ja nicht so "speziell" wie der Tsunami war, war nach dem fünften Tag nur noch an der Randzeile eine Anmerkung, welche zu einer Seite mit einem kurzen Artikel führte, heute hab ich gar kein Beitrag mehr gefunden.
Das ist einfach ungerecht diesen Menschen gegenüber...
Thema: Re: Haiti...eine trübsinnige Geschichte Di Jan 26, 2010 10:30 am
Da gebe ich dir absolut recht, Tic. Es taugt wohl noch nicht mal mehr zu einer kleinen Kurzmeldung. Und dann reden Experten immer von einer Chance... Wie soll das eine Chance sein, wenn man das Land jetzt wieder vergisst!?
Milinda Erwachsenes Pferd
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Thema: Re: Haiti...eine trübsinnige Geschichte So Jan 31, 2010 12:58 am
Schrecklich traurig, auch jetzt noch. Wir haben auch schon gespendet. Dein Geschichte ist toll erzählt, es greift die Situation richtig gut auf. Grüßle Milinda
Lou Teenager
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Thema: Re: Haiti...eine trübsinnige Geschichte So März 21, 2010 1:38 am
Echt traurig... Wir sammeln momentan und verkaufen Portraits usw von der Kunstschule aus..