Bisher gibt es keinen Namen

Es war ein Tag wie jeder andere. Doch mit ihrer Vermutung lag sie falsch. Dieser Tag sollte noch eine ganz besondere Rolle in ihrem Leben spielen.
Spät am Abend nahm sie ihr Buch zur Hand und schlug die Seiten um. Das leise Rascheln dieser und die Tatsache, dass der Wind sanft durch ihr geöffnetes Fenster wehte, ließen sie schon bald ziemlich müde werden. Doch es gab noch etwas Besonderes an dieser Nacht. Es war Vollmond, ohne Mondschein.
Immer langsamer erklang das Knistern der umschlagenden Seiten, bis es schließlich ganz erstarb. Sie war eingeschlafen.
Wie ein geheimnisvoller Schatten kam er an, wurde immer größer und verdrängte alles andere in seiner Nähe. Ein Ruf. Doch es war kein normaler Ruf, es war ein Ruf nach Hilfe, verzweifelt erwarteter Hilfe.
Die Stille wurde abermals durchschnitten, diesmal durch das Knarren von Schritten auf dem Boden und dem Rascheln der Gardine, die durch das nun weit geöffnete Fenster schwebte.

Nichts bewegte sich in der Dunkelheit, bis auf die vom Wind erfassten Blüten und Blätter. Doch es streifte noch etwas anderes durch die Nacht, langsam, fast geräuschlos und so entschlossenen Ganges, dass es sich perfekt in die Stille einfügte.
Mit einem Mal aber schien die Welt zu stoppen, die Blätter den Wind nicht mehr zu spüren und die Klarheit der Nacht in ein Gewirr aus schwarzen Fäden und grausamen Chaos zu schwinden. All dies geschah genau in dem Moment, in welchem die Gestalt stehen blieb. Für ein paar unbestimmbare Augenblicke hielt alles den Atem an.
Genauso plötzlich nahm alles wieder den unterbrochenen Gang auf und diesmal hallten auch die Schritte wie von einer Wand zurückgeworfen durch das Dunkel.
Der Schein allerdings trug, nicht alles machte so weiter, wie es aufgehört hatte. Um es genauer zu sagen, nichts tat seinen gewohnten Gang.
Die Blätter raschelten schneller, nahezu wie erwartungsvoll, die Blüten verkrochen sich so weit wie möglich in den Bäumen und der Wind pfiff die Melodie des Ungewissen und Unberechenbaren.
Die Gestalt nahm all die wahr und verlangsamte ihren Gang um ein paar Schritte.
War dies das Geheimnis, musste man sich etwa nur dem Willen des Schattens und der Dunkelheit hingeben, um wahrzunehmen, was sich da gerade abspielte?
Wie ein einheitliches Knacken erklangen nun die Schritte im Rhythmus der Welt. Nichts und niemand konnte diesen Takt hören, nicht einmal die Pfiffe des Windes im Lied seiner Wahl drangen nach außen durch.
Einen Augenblick später blitzen leuchtend blaue Augen zwischen den Schatten auf und von Neuem durchzogen qualvolle Schreie die Luft.
Das Blau war von solch einer Kraft, dass nichts es hätte trüben können, nicht einmal die Wachen der Nacht. Sie schienen alles zu sehen, achteten jedoch nur auf eine einzige Sache. Was war hier geschehen?

Die fast unheimliche Stille nahm noch einmal Besitz von der Gegend, worauf die durch ein leises Atmen und sanfte Schritte unterbrochen wurde. Der Fensterrahmen knarrte leise und auch die Gardine raschelte im Wind.
Schritte, gezieltes Laufen, schlichen umher und verstummten mit dem Geräusch eines fallenden Buches. Die Seiten schlugen um und schließlich auch der Rücken des Buches.
Dann trat Ruhe ein, kein Ruf und kein Schrei, rein gar nichts erinnerte an das gerade noch dagewesene Gefühl.

Sachtes Zwitschern drag durch das Fenster und brachte den neuen Tag auch in diesen Ort der Nacht. Aber es war nicht das einzige Zeichen von Leben hier. Auf dem Bett saß eine Person.
Im gleichmäßigen Rhythmus war ein Umschlagen der Seiten zu vernehmen und begierige Augen starrten auf die schwarzen Lettern. Gar nicht schnell genug konnten sie das Geschriebene in sich aufnehmen. Schon wieder eine Seite.
Der Wecker klingelte rücksichtslos seine Morgenmelodie, doch das schien sie nicht zu stören.

Dann trat Ruhe ein, kein Ruf und kein Schrei, rein gar nichts erinnerte an das gerade noch da gewesene Gefühl. "da gewesen" schreibt man auseindander

Sachtes Zwitschern drang durch das Fenster und brachte den neuen Tag auch in diesen Ort der Nacht. Hier hast du einen Buchstaben vergessen.